Koalition contra Kompetenzerweiterung für Notfallsanitäter

    • Koalition contra Kompetenzerweiterung für Notfallsanitäter

      Für die Interessierten:
      Nachdem der Bundesrat dem Gesetzesentwurf zur Kompetenzerweiterung für Notfallsanitäter ausgehend von den Bundesländern Thüringen und Bayern zugestimmt hat, ist der Entwurf wohl aufgrund der Koalitionsparteien im Bundestag vorerst wieder auf Eis gelegt.

      rettungsdienst.de/news/notfall…mt-gesetzentwurf-zu-61415

      aerztezeitung.de/politik_gesel…weiterung-sanitaeter.html
    • Ich sehe ehrlich gesagt das Problem nicht. Wenn man sich den Anderungsvorschlag der GroKo anschaut, dann sagt er im Endeffekt dasselbe aus, wie die Bundesratinitiative, nur ohne das Heilpraktikergesetz umschiffen zu wollen.

      Der Bundesrat will, dass NotSans erlernte heilkundliche Maßnahmen (§4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c) ergreifen dürfen, wozu das HeilpraktikerG umgangen werden muss. Darum wollten sie den Zusatz bei Artikel 1. Kommt das so durch (was ja zumindest theoretisch noch möglich ist), haben wir aber immer noch keine Handlungsfreiheit, sondern sind im weiteren "begrenzt" durch §4 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe c, nämlich dass wir von den erlernten Maßnahmen nur die anwenden dürfen, die der ÄLRD freigibt, schult und abprüft.

      Die Groko, wie auch einige Experten (nicht der wissenschaftliche Dienst des Bundestages, der zählt den NotSan, anders als die Krankenpflege, den Heilberufen zu), sehen es aber, dass das HeilpraktikerG gar nicht umgangen werden muss, da der NotSan als Assistenzberuf der Delegation unterliegt. Diese Delegation wird nun im Groko-Entwurf spezifiziert durch Abänderung des §4 Absatz 2 (leider wird die Ärztezeitung nicht genauer, aber vermutlich geht es hier um Nummer 2 Buchstabe c) "eigenständiges Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen, die von der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes zu veranlassen, vom Ärztlichen Leiter Rettungsdienst oder entsprechend verantwortlichen Ärztinnen oder Ärzten standardmäßig vorzugeben, zu überprüfen und zu verantworten sind und sich auf notfallmedizinische Zustandsbilder und -situationen erstrecken, in denen ein lebensgefährlicher Zustand vorliegt, wesentliche Folgeschäden zu erwarten sind oder eine Medikamentengabe zu veranlassen ist."

      In beiden Fällen bedeutet es: Der NotSan kriegt SOP/SAA/RBD in denen für spezifische Krankheitsbilder spezifische Maßnahmen vorgegeben sind.

      Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, stehen wir mit delegierten Maßnahmen sicher besser da, als mit eigenverantwortlicher Heilkunde. Denn wer Heilkunde ausübt, begeht bei Misslingen einen Kunstfehler. Und für Kunstfehler muss man haften. Dazu braucht es eine Versicherung. Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns so eine leisten wollen/können.
      Bei Delegation kann uns höchstens ein Übernahmeverschulden angelastet werden, wenn wir eine Maßnahme übernehmen, die wir nicht berherrschen. Aber damit wir die Maßnahmen beherrschen, werden wir ja geschult und geprüft, womit wir belegen können, dass wir die ergriffene Maßnahme im Regelfall eben doch beherrschen, sonst wäre sie uns ja nicht freigegeben worden.
    • Ich hab ein wenig gegooglet und - siehe da - ich hatte Recht, es geht um §4 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe c. In der Begründung zur Änderung heißt es wie folgt:


      Groko-Entwurf schrieb:

      Bereits heute werden Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter in ihrer Ausbildung auf das eigenständige Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen im Rahmen von standardisierten Vorgaben (SOP ́s)qualifiziert. Länderbeispiele,in denen bereits SOP ́s für den Notfalleinsatz etabliert sind,zeigen,dass dieseVorgaben geeignet sind, wesentlich zu Rechtssicherheit bei der Ausübung des Notfallsanitäterberufs beizutragen, wenn sie landeseinheitlich angelegt werden und auch besondere Situationen wie etwa die Gabe von Betäubungsmitteln erfassen.Da sowohl die Länder wie Verbände nach wie vor Rechtsunsicherheiten bei der Berufsausübung beklagen, ist es angemessen, gesetzliche Maßnahmen zu prüfen, die hier zu mehr Rechtsklarheit beitragen. Auch wenn Länderdiesteilweise fordern, erscheint dabei die Zuweisung einer eigenständigen Heilkundekompetenz auf der Basis desHeilpraktikergesetzesnicht als geeignet, um dieses Ziel zu erreichen.Sie belastet zum einen die Berufsangehörigen ganz besonders in den Situationen, in denen ein lebensgefährlicher Zustand vorliegt oder wesentliche Folgeschäden zu erwarten sind, da die ärztliche Delegation entfällt und durch die Substitution von Heilkunde nicht nur die Verantwortungsondern auch das volleHaftungsrisiko auf die Notfallsanitäterinnenund den Notfallsanitäter übertragen wird. Darüber hinaus ist auch eine größere Rechtssicherheit nicht zu erwarten, denn es bleibt insoweit eine Abgrenzungsproblematik erhalten, als zum Beispielüber die Frage, ob der Zustand der Patientin oder des Patienten überhaupt lebensbedrohlich war, weiterhin situationsbedingt entschieden werden muss.Insofern scheint es angemessen und sinnvoll, die Übertragung ärztlicher Aufgaben auf Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter weiterhin im Wege der Delegation vorzusehen. Hierbei bietet es sich an, die ohnehin genutztenstandardisierten Prozedurenauszuweiten. Sie sollen in Zukunft auf Landesebene zu treffen sein, indem sie von den zuständigen Behörden zu veranlassen sind. Zudem haben sie sich ausdrücklich auch auf die Notfallsituationen zu erstrecken, in denen die sogenannte Notkompetenz greifen kann. Durch standardisierte Vorgaben für solche Fälle können die Möglichkeiten, in denen auf den Rechtsfertigungsgrund des rechtfertigenden Notstandes zurückgegriffen werden muss, mit hoher Wahrscheinlichkeit reduziert werden, zumal durch die heutigen modernen Kommunikationsmittel die Möglichkeit einer ärztlichen Beteiligung nahezu jederzeit gegeben ist.Die vorliegende Neufassung des § 4 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe c schafft damit einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutzdes Lebens oder der Gesundheit der Patientin oder des Patienten als besonders hohem Schutzgutund den Interessen der Berufsangehörigen nach mehr Rechtssicherheit bei der Berufsausübung, auch wenn es sich nicht um eine Regelung der Berufsausübung handelt. Eine solche könnte von den Ländern getroffen werden, indem sie klarstellen, dass Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern in dem Umfang ihren Beruf ausüben dürfen, der dem in § 4 des Notfallsanitätergesetzes geregelten Ausbildungsziel entspricht

      Weiter wird mit diesem Entwurf die Verlängerung des Weiterqualifizierungszeitraumes (Ergänzungsprüfung) von sieben auf zehn Jahre erhöht. Ende wäre demnach nicht mehr der 31.12.2020, sondern der 31.12.2023.

      Letzteres halte ich für gut und richtig. Um ehrlich zu sein, ist mir nicht ganz klar, warum es überhaupt ein Enddatum geben sollte.

      EDIT: Lustig ist, dass der wissenschaftliche Dienst des Bundestages den Notfallsanitäter 2016 noch als Heilberuf gem. des Heilpraktikergesetzes sieht, 2019 aber nur noch als der Delegation unterlegenen Assistenzberuf.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von TheOssi () aus folgendem Grund: Zitat vervollständigt.

    • TheOssi schrieb:

      Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, stehen wir mit delegierten Maßnahmen sicher besser da, als mit eigenverantwortlicher Heilkunde. Denn wer Heilkunde ausübt, begeht bei Misslingen einen Kunstfehler. Und für Kunstfehler muss man haften. Dazu braucht es eine Versicherung. Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns so eine leisten wollen/können.
      Bei Delegation kann uns höchstens ein Übernahmeverschulden angelastet werden, wenn wir eine Maßnahme übernehmen, die wir nicht berherrschen. Aber damit wir die Maßnahmen beherrschen, werden wir ja geschult und geprüft, womit wir belegen können, dass wir die ergriffene Maßnahme im Regelfall eben doch beherrschen, sonst wäre sie uns ja nicht freigegeben worden.
      Die Delegation stellt einen aus rechtlicher Sicht nur dann auf eine sichere Seite, wenn der Arzt den Patienten "kennt". Eine Vorabdelegation ist aufgrund der immer anderen Gegebenheiten rechtlich alles andere als Sicher, dazu gibt es auch schon zig Berichte in Fachzeitschriften; auf Kongressen und in einschlägigen Foren. Spätestens wenn ein Baustein der SOP nicht klar genug formuliert ist oder ein Baustein bei der rechtlcien Nachuntersuchung als "nicht zutreffend" angesehen werden kann kommt man als Rettungsfachpersonal schnell in die Klemme.
      Die Anerkennung der Heilkunde macht die Sache rechtlich sicherer und haftungsrechtlich etwas heikler. Würde dem NotSan die Heilkunde zugesprochen könnte er auch abweichend von SOP & Co. im Sinn des Patienten und seines Wohlergehens tätig werden, dies würde in einigen Bereichen eine deutliche Verbesserung und auch zeitgemäße Versorgung sicherstellen. Sicher ist, geht was schief wird es haftungsrechtlich heikler, dass sollte für den NotSan aber ein geringes Problem sein. Generell sollte ein NotSan nur dann auf die erweiterten Maßnahmen zurückgreifen, wenn er sich dieser sicher ist und die entsprechende Rahmenbedingungen ausreichen abgeklopft hat. Wer mehr Kompetenzen will, der muss auch kompetent sein und dann drohen im rechtlich wenige Probleme. Wer die rechtlichen Probleme scheut, der sollte abgesehen von Heilkunde oder Delegation die Finger von entsprechenden Maßnahmen lassen.

      TheOssi schrieb:

      Weiter wird mit diesem Entwurf die Verlängerung des Weiterqualifizierungszeitraumes (Ergänzungsprüfung) von sieben auf zehn Jahre erhöht. Ende wäre demnach nicht mehr der 31.12.2020, sondern der 31.12.2023.

      Letzteres halte ich für gut und richtig. Um ehrlich zu sein, ist mir nicht ganz klar, warum es überhaupt ein Enddatum geben sollte.
      Die Verlängerung der Weiterqualifizierung ist eigentlich ein Armutszeugnis! Die Verlängerung ist doch nur notwendig, weil einige Arbeitgeber schon immer darauf gebaut haben bzw. weiter darauf bauen werden und ihrer Pflicht zur Weiterbildung der Mitarbeiter nicht/ nicht ausreichend nachkommen! Abgesehen davon wird eine Verlängerung nur dann die Situation retten, wenn zeitgleich die Frist in der der RettAss Fahrzeugführer auf dem RTW sein darf auch verlängert wird. Würde dies zutreffen werden, dann wäre das eine weitere und massive Schwächung des Berufsstands des Rettungsfachpersonals und würde auch die Patientenversorgung nachhaltig negativ beeinflussen.

      Das Rettungsfachpersonal braucht jetzt eine Anerkennung zur Ausübung der Heilkunde, nicht nur um sich auf eine zeitgemäße Stufe stellen zu können; auch um ein Zeichen gegen veraltetes Standesdenken bei der Ärzteschaft zu setzen und vor allem um Patienten eine zeitgemäße und von Lokalfürsten unabhängigere Versorgung zu gewähren.
    • Ich zitiere mal einen oberen Staatsanwalt aus Stuttgart, der zu der Sache mal folgendes gesagt hat: „Die beste Möglichkeit, den NotSan vor rechtlichen Konsequenzen zu bewahren ist eben, ihm nicht alles zu erlauben.“ Klingt pragmatisch, macht aber durchaus Sinn, zumal mehr und mehr Personal auf den Straßen unterwegs ist, dass die staatlich anerkannte Lizenz zum Töten hat (wortwörtlich leider).
      Ausserdem, wie bereits oben angesprochen braucht man, wenn Mans genau nimmt, gewisse Vorraussetzung für eine ärztliche Delegation: Patient ist bekannt, Patient ist antherapiert, Patient hat eine Diagnose, alles Dinge, die auf den Patienten draußen im Normalfall nicht zutreffen.
      Versteht mich nicht falsch, ich wäre ebenfalls klar dafür den NotSan etwas besser abzusichern und ihm mehr Kompetenzen zuzusprechen (unter den richtigen Vorraussetzungen), das komplette Heilpraktikergesetz umzukrempeln, damit „wir“ draußen „Doktor spielen“ dürfen, halte ich für den falschen Weg, das Land endlich in Zugzwang zu setzen, seinen ÄLRD in den arsch zu treten um lokale Protokolle u.ä. zu erarbeiten, umso mehr für den richtigen.

      Und nun noch in eigener Sache, auf emotionaler Ebene:
      Was ich in den letzten Tagen auf Facebook lese, oder in Gesprächen mit Kollegen höre hat kaum was mit Kritik am System zu tun, sondern ist meistens Niveau Stammtischgelaber. Ich bemerke zurzeit zunehmend einen Götterkomplex in Weiß, nicht jedoch bei den Akademikern, sondern eben auch im Rettungsdienst, das macht mir auch Sorgen.
    • Ich möchte hier mal den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zitieren:


      WDB schrieb:

      Eine gesetzliche Definition der Delegation existiert nicht. Nach der in der Literatur ganz überwie-gend vertretenen Auffassung32handelt es sich bei der Delegation um die Übertragung der Durch-führungskompetenz zur Ausübung heilkundiger Tätigkeiteninsbesondere aufnichtärztliches Personal, wobei eine Delegation immer nur zur Assistenz und nie zu einer eigenständigen Aus-übung der Heilkunde neben oder anstelle des Arztes führen kann33.EineDelegation erfordert stets eine gesonderte ärztliche Anordnung und Überwachungund hat unter ärztlicherVerantwor-tung zu erfolgen34. Die Entscheidungshoheit über die Durchführung der übertragenen Behand-lungsmaßnahme –das „Ob“ –verbleibt im Falleder Delegationbeim Arzt, während die Durch-führungsverantwortung –das „Wie“ –auf den Delegationsempfänger übergeht35. Auch wenndie Anordnungs-und Überwachungsbefugnis sowiedie Verantwortung hierfürbeidemanordnendenArzt als delegierende Personverbleiben, erfülltder Delegationsempfänger die an ihn delegierten Aufgaben gleichwohl selbstständig36. Von der Delegation zu unterscheiden sind reine Assistenz-tätigkeiten, bei denen das nichtärztliche Personal an der Seite des Arztes lediglich untergeord-nete Aufgaben und Handreichungen übernimmt, ohne eine eigenständige Kompetenz hinsicht-lich der Frage der Durchführung zu haben37. Die Abgrenzung zwischen Delegation und Assistenz kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten38.


      Standardmäßig vorgegebene heilkundliche Maßnahmen für bestimmte notfallmedizinische Zu-standsbilder und -situationen im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr.2 Buchstabe c NotSanG, die im medizi-nischen Sprachgebrauch als sog. standardisierte Handlungsanweisungen oder Standard Opera-ting Procedures (SOP) bezeichnet werden66,sollenaber gerade die Möglichkeit eröffnen, ärztliche Behandlungsmaßnahmen auf Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter zu übertragen, ohne dass eine Delegation im konkreten Einzelfall ausgesprochen werden muss.Standardvorgaben bezie-hen sich auf eine nur durch ihre Symptome gekennzeichnete, aber nicht näher bestimmte Gruppe von Patientinnenund Patienten67.Um standardisierte Handlungsanweisungenals einen Fall der Delegation ärztlichen Handelns im Sinne desin Rechtsprechung und Literatur etablierten Ver-ständnisses dieses Begriffs erfassen zu können, müssen diese und die maßgeblichen medizini-schen Entscheidungenvom ÄLRDoder entsprechend verantwortlichen Ärztinnen oder Ärzten deshalb so präzise formuliertwerden,dass sie möglichst keinen Bewertungsspielraum enthalten und trotzdem medizinisch sinnvoll sind68.Von einer Delegation mitHilfe vonstandardisierten Handlungsanweisungen ist alsonur dann auszugehen, wenn durch eine SOP weitgehend alle Behandlungsoptionen abgedeckt werden, also im Grunde keine eigenständigen Entscheidungsfrei-räume für eine Behandlung durch die Notfallsanitäterin oder denNotfallsanitäter mehr bestehen. Dort, wo SOP Spielräume offen lassen –wie zum Beispiel bei atypischen Verläufen in der Diag-nostik –liegt zumindest auch eine Behandlungsentscheidung der Notfallsanitäterin bzw. des Notfallsanitäters selbst vor, die eine Delegation ausschließt. Nur soweit im Rahmen einer SOP sichergestellt werden kann, dass der Notfallsanitäter selbst keineDiagnosestellung vornimmt, also nichtin den Kernbereich ärztlicher Tätigkeit eingreift, folgt das symptombezogene Handeln des Notfallsanitäters einer Weisung, wie sie die Delegation voraussetzt. Bei allen übrigen Fällen handelt es sich demgegenüber in der Regel um die Substitution einer ärztlichen Behandlungsent-scheidung, die ohne gesetzliche Grundlage rechtlich nicht zulässig ist69.Auch wenn man die Möglichkeit einer Delegation ärztlicher Leistungen durch standardisierte Handlungsanweisungen unter den vorgenannten Voraussetzungen grundsätzlich bejaht, kommt eineÜbertragungheilkundlicher Tätigkeiten auf Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter mit Hilfe vonSOPnur dann in Betracht, wenndie sonstigen von der Rechtsprechung und Literatur herausgearbeiteten Parameter zur Delegation ärztlicher Aufgaben beachtet werden70.Danach darf die Gefährdung des Patienten bei der Übernahme einer ärztlichen Tätigkeit durch nichtärztliches Personal nicht erhöht werden71. Wesentliche Voraussetzung der Übertragung ärztlicher Maßnah-men auf Nichtmedizinerist also, dass der Patient auch im Fall der Delegation ärztlicher Leistun-gen eine lückenlos fachqualifizierte und risikobegrenzende Betreuung erhält72.



      Nach der hier vertretenen Auffassunghat der Bundesgesetzgeber mitder Bestimmung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c NotSanGdie ausbildungsmäßigen Voraussetzungenfür eine „Delega-tion“heilkundlicher MaßnahmenaufNotfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter für den Fall geschaffen, dass dies rechtlich möglich ist, ohne bereits im NotSanG selbst einen entsprechenden Zulässigkeitstatbestand zu regeln105.Damit wird denBundesländern die Option eröffnet,in Anknüpfungan das dieser VorschriftzuGrunde liegende „Delegationsmodell“in ihren Rettungs-dienstgesetzen oder sonstigem LandesrechtErlaubnistatbestände für die Berufsausübungvorzu-sehen, mit denen diesemRettungsfachpersonal dierechtliche Befugnis eingeräumt wird, auf der Grundlage standardisierter Handlungsanweisungen des ÄLRD oder entsprechend verantwortli-cher Ärztinnen oder Ärzte bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situatio-nen eigenständig heilkundliche Maßnahmen durchzuführen. Eine bundesrechtliche Verpflich-tung derLänder, derartige Regelungen zu schaffen, wird man aus der Bestimmung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c NotSanG allerdings nicht ableiten können.
    • Das von dir rot markierte schafft aber keine rechtliche Sicherheit, beschrieben wird nur, dass man ggf. auch bei nicht zutreffender SOP eigenständig aktiv wird. Ebenso wird beschrieben, dass man als NotSan keine Diagnose stellen soll/darf.

      Beide Situationen spiegeln mehr oder minder den Ist-Stand, genau dieser wird vom Rettungsfachpersonal; dem Berufsverband; der Gewerkschaft und den Bundesländern gerügt. Tatsache ist, dass ein NotSan auch dann tätig werden sollte, wenn es keine / keine zutreffende SOP für die Situation gibt und er trotzdem in Sinn des Patienten handeln kann. Auch soll/muss der NotSan Diagnosen stellen dürfen um entsprechend im Rahmen der SOP bzw. eigenständig tätig zu werden, ein "ihr Bein sieht komisch verdreht aus und da steht was weißes Knochen ähnliches raus, da ich kein Arzt bin kann/darf ich nur vermuten dass das nicht mehr ganz ist" bringt niemanden was.
      Wer Kompetenzen will, der muss kompetent sein und das nicht nur manchmal (z.B. nicht nur in Notfällen) und obendrein muss er auch entsprechend behandelt werden (z.B. Diagnosstellung in eindeutigen Fällen; rechtliche Absicherung; Rechtsschutz durch AG;...).
    • FaRa schrieb:

      zumal mehr und mehr Personal auf den Straßen unterwegs ist, dass die staatlich anerkannte Lizenz zum Töten hat (wortwörtlich leider).

      Was ich in den letzten Tagen auf Facebook lese, oder in Gesprächen mit Kollegen höre hat kaum was mit Kritik am System zu tun, sondern ist meistens Niveau Stammtischgelaber
      Ich kann dir nicht so ganz folgen. Ich verstehe nicht, wen du als Personal mit der wortwörtlichen Lizenz zum Töten meinst. Zuerst eine solch überspitze Formulierung noch mit dem Zusatz in den Klammern zu untermauern, sich dann aber über Stammtischgelaber aufregen, erscheint mir zudem nicht konsequent.
      Das große Problem Integrierter Leitstellen:
      Du BIST die Feuerwehr!
    • Ich nehme mal das Beispiel 15mg Dormicum nasal, beim alkoholisierten & deshalb agitierten Patienten und dann nach dem NA schreien, weil er halb das schnaufen aufhört. Kann dir viele solche Geschichten erzählen, nicht aus Stammtischerzählungen, sondern aus selbst erlebten. Das Qualifizier in meinen Augen zu obiger Aussage, diese stammt übrigens von einem Hems-TC, der seit 20 Jahren bei der DRF fliegt und NotSan aus dem ganzen Ländle erlebt. Natürlich trifft das nicht auf alle zu, sicher sogar nur auf einen kleinen Teil.
      Gebe dir aber recht, es ist tatsächlich inkongruent, sowas zu verteufeln, dann aber selbst drauf zurückzugreifen.

      Nachtrag: Soll keine Ausrede sein, ich meinte mit Stammtischparolen aussagen wie „Die ärztelobby will uns nur Kastrieren“ „Die mit ihrem Götterkomplex“ „Was nehmen die sich heraus?“ ...
    • FaRa schrieb:

      „Die beste Möglichkeit, den NotSan vor rechtlichen Konsequenzen zu bewahren ist eben, ihm nicht alles zu erlauben.“ Klingt pragmatisch, macht aber durchaus Sinn,
      Die Sache stimmt, bedingt. Wollte man den NotSan vor Konsequenzen schützen, dann müsste man dies schon in der Ausbildung machen. Hat er eine Sache in der Ausbildung gelernt / geübt, dann kann man es ihm nachher nicht rechtlich sicher verbieten und spätestens in der echten Notlage steht er mit dem Rücken an der Wand.
      Wollte man dem NotSan vor (haftungs-)rechtlichen Konsequenzen schützen, dann müsste man die entsprechenden Lerninhalte aus der Ausbildung raus nehmen und oder deutlich mehr NEF mit deutlich kürzeren Eintreffzeiten und deutlich niedrigeren Alarmschwellen installieren. Tatsächlich reden wir aktuell aber davon, dass NEF weniger werden; NEF längere Eintreffzeiten haben; NA indizierte Transporte solo gefahren und zeitgleich über ein zu wenig ausgebildetes Rettungsfachpersonal welches nicht in der Lage ist die eine oder andere Maßnahme zu ergreifen bzw. noch nicht mal feststellen darf, dass hier kein Transport indiziert ist.

      FaRa schrieb:

      das komplette Heilpraktikergesetz umzukrempeln, damit „wir“ draußen „Doktor spielen“ dürfen, halte ich für den falschen Weg,
      Da sind wir beim Stammtischniveau bzw. bei der zu häufig aufkommenden Unsachlichkeit. Es geht nicht darum dem NotSan "Waffen" in die Hand zu geben; ihm eine Vogelfreiheit zu gewähren oder ähnliches. Einzig und alleine geht es darum den Patienten eine zeitgemäße Versorgung zukommen zu lassen, welche sich an Leitlinien / dem Stand der Wissenschaft orientiert und welche in der Ausbildung vermittelt wurde. Dem Patienten zu sagen "In X Minuten kommt ein Arzt und der macht dann das, was ich in der Ausbildung gelernt habe und als nicht Arzt jetzt nicht darf" ist genauso wenig zeitgemäß wie "Ich bin Notfallsanitäter und kann alles, der Arzt kann mir gestohlen bleiben!".

      FaRa schrieb:

      nicht jedoch bei den Akademikern, sondern eben auch im Rettungsdienst, das macht mir auch Sorgen.
      Diese Höhenflüge gibt es durchaus, doch diese resultieren 1. aus der gegenseitigen Argumentation; 2. der mangelnden Wertschätzung gegenüber dem Rettungsfachpersonal und 3. aus den gegenseitig gemachten negativen Erfahrungen. Unterm Strich haben auf beiden Seiten die Personen mit Höhenflug eine nahezu gleiche anzahl, nur sitzen die Ärzte mit Höhenflug (bzw. eher falschen Vorstellungen der Realität) an wirkungsvolleren Positionen. Tatsächlich wird es leider auch beidseits die Personen mit Höhenflug für eine Einigung auf ein gesundes Mittelmaß brauchen, denn an einem runden Tisch vernünftig bzw. sachlich Argumentieren können bzw. wollen beide Seiten nicht.
    • FaRa schrieb:

      Ich nehme mal das Beispiel 15mg Dormicum nasal, beim alkoholisierten & deshalb agitierten Patienten und dann nach dem NA schreien, weil er halb das schnaufen aufhört. Kann dir viele solche Geschichten erzählen, nicht aus Stammtischerzählungen, sondern aus selbst erlebten.
      Ja super, anekdotische Evidenz und am Thema der Bundesratsinitiative vorbei argumentiert. Glückwunsch.
      Übrigens: Im selben Stile und gleichem Evidenzlevel kann ich auch Schauergeschichten über Notärzte bringen.
      Und bringt es was zum Thema? Nein!
    • kann am Handy leider nicht punktuell zitieren, hoffe du verstehst trotzdem, worauf ich mich im einzelnen beziehe.

      Ich erlebe eher das Gegenteil, zumindest hier wird die NEF-Vorhaltung deutlich erhöht, gerade weil das NEF primär „niederschwelliger“ alarmiert wird. Dadurch haben viele NotSan nicht die Möglichkeit tätig zu werden, andererseits auch gar nicht die Muse.

      Das mit den angesprochenen Stammtischparolen, ich hab’s extra in Gänsefüßchen gesetzt, in der Hoffnung man merkt, wie ich es da meine.

      Deinem letzten Absatz kann ich mich dann doch nur anschließen, danke für die sachliche Ausführung :thumbup:
    • @dens
      Zum Evidenzlevel fehlt mir dann doch leider noch etwas. Notarztgeschichten hab ich selbst genug in der Tasche, wie jeder andere hauptamtliche hier sicher auch, da gibts thereothisch wieder den Unterschied, dass der Arzt in gewisserweise Behandlungsfreiheit geniesst, der NotSan sich aber nur auf Handlungsempfehlung und §34 StGB berufen kann. Hoffe du verstehst, worauf ich damit raus will.
    • Schauergeschichten können alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen erzählen. Das kritische beleuchten des eigenen Handelns (oder der eigenen Zunft) zeugt jedoch mehr von einer gewissen Selbstkritikfähigkeit, wie das denunzieren anderer Berufsgruppen. Bringen tut das vielleicht nicht viel. Jedoch gehört mMn eine gewisse geistige Reife dazu, um Kompetenzen einzufordern zu können. Kritische Selbstreflexion ist ein Teil davon. Nicht falsch verstehen, denn auch ich bin mit der derzeitigen Situation unzufrieden. So einfach ist das ganze jedoch nicht.
    • RFSW schrieb:

      Das kritische beleuchten des eigenen Handelns (oder der eigenen Zunft) zeugt jedoch mehr von einer gewissen Selbstkritikfähigkeit, wie das denunzieren anderer Berufsgruppen.
      Naja, nur dass das so wie es oben von FaRa getan wird einfach nur Denunziantentum ist mit einer Formulierungsweise weitweg jeder Sachlichkeit und Treffsicherheit auf das Thema.
    • FaRa schrieb:

      Ich nehme mal das Beispiel 15mg Dormicum nasal, beim alkoholisierten & deshalb agitierten Patienten und dann nach dem NA schreien,

      dens schrieb:

      Im selben Stile und gleichem Evidenzlevel kann ich auch Schauergeschichten über Notärzte bringen.
      Genau hier sind wir doch wieder bei den Stammtischparolen; den Höhenflügen; dem gegenseitigen Niedermachen; ....
      Genau solche Nummern bringen keiner Seite was in der eigentlichen sachlich zu führenden Diskussion, das schlimmste bei der Sache ist, der Patient um den es eigentlich geht, der hat keine eigenen Vertreter und ist damit automatisch der größte Verlierer!
      Im übrigen bringen die Horrorgeschichten keinem wirklich was, sie sind weniger ein Argument gegen etwas, wie viel mehr ein Argument für ein qualifizierten Wandel und das Betrifft das Rettungsfachpersonal und die Notärzte. Kleiner Dezenter Hinweis: Man betrachte sich die S1-Leitlinie zum Atemwegsmangement, da kamen selbst Notärzte nicht gut bei weg!

      FaRa schrieb:

      dass der Arzt in gewisserweise Behandlungsfreiheit geniesst,
      Diese genießt er und das kann ohne Frage auch wirklich gut und sinnvoll sein, doch auch hier ist der Arzt der ggf. gekniffene, wenn er von Leitlinien (SOP) abweicht. Ganz davon ab, ist es bei der Behandlungsfreiheit wie bei den SOP für das Rettungsfachpersonal, beides ist nichts auf dem man sich ausruhen kann/darf und es rechtfertigt nicht alles.

      FaRa schrieb:

      der NotSan sich aber nur auf Handlungsempfehlung
      Der NotSan "kann sich nur auf Handlungsempfehlungen berufen", genau hier haben wir den Knackpunkt. Auf welche soll er sich denn berufen, auf die des evt. vorhandenen ÄLRD oder doch eher auf die der Fachgesellschaften oder doch eher die aus der Ausbildung oder gar die vom Berufsverband? Hier gibt es zu viele Möglichkeiten und eigentlich nur eine Antwort, ein NotSan muss sich auf die Handlungsempfehlungen von Fachgesellschaften berufen können und dazu gehört die Quellen zu kennen; die Texte zu verstehen und darin unter Kontrolle von RP/Gesundheitsamt/ÄLRD/... geschult; trainiert und geprüft zu werden.
    • dens schrieb:

      RFSW schrieb:

      Das kritische beleuchten des eigenen Handelns (oder der eigenen Zunft) zeugt jedoch mehr von einer gewissen Selbstkritikfähigkeit, wie das denunzieren anderer Berufsgruppen.
      Naja, nur dass das so wie es oben von FaRa getan wird einfach nur Denunziantentum ist mit einer Formulierungsweise weitweg jeder Sachlichkeit und Treffsicherheit auf das Thema.
      Mag unglücklich (unsachlich weil absichtlich provokativ) formuliert gewesen sein. Das auseinanderfrickeln verläuft sich sicher in den Tiefen der Kommunikationslehre. So schlimm fand ich es nicht, da wir hier (meistens) unter uns (Rettern) sind und er durchaus einen kritischen Punkt angesprochen hat (der durchaus einen Diskussionswert hat). Auch ich würde nicht jedem Kollegen eine Midazolamspritze in die Hand drücken; den meisten jedoch schon weil sie fachlich gut sind. Orientieren muss man sich für eine Rechtssicherheit jedoch am schwächsten Glied. Also an einem Mindestest-Standard, da auch die Low-Performer (und auch die oft mangelnde Erfahrung aufgrund des regelmäßigen Einsatzspektrums) eingeplant werden müssen. Oder man muss diese Kollegen entsorgen. Schwierig beim derzeitigen und zukünftig noch zunehmenden Fachkräftemangel. Alles nicht so einfach. Ich habe die Aussage einfach (sach-) inhaltlich aufgenommen.
    • RFSW schrieb:

      Auch ich würde nicht jedem Kollegen eine Midazolamspritze in die Hand drücken; den meisten jedoch schon weil sie fachlich gut sind.

      RFSW schrieb:

      Orientieren muss man sich für eine Rechtssicherheit jedoch am schwächsten Glied.
      Genau hier sind wir doch an einem interessanten Knackpunkt, beim Rettungsfachpersonal muss man sich am schwächsten Glied bezüglich der Kompetenzen orientieren und das trifft vor allem bei der Argumentation von Gegnern und Gegnern aus der Ärzteschaft zu. Komischerweise nimmt man darauf in anderen Bereichen (z.B. auch innerhalb der Ärzteschaft) keine Rücksicht, toleriert eher Schwachstellen und redet es ggf. auch noch klein (z.B. Behandlungsfreiheit). Diese aufgezwungene Meinung (z.B. durch Teile der Ärzteschaft) vom schwächsten Glied ausgehen zu müssen bringt das Rettungsfachpersonal weg vom Status Fachpersonal; weg von der Anerkennung von Wissen und Fähigkeiten und weg von Kompetenzen. Fachpersonal zeichnet weniger eine Demut vor anderen aus, als viel mehr das Wissen ob der eigenen Möglichkeiten; das Ziel diese einheitlich zu gestalten (flächenmäßig und personell); dem Willen zum Fortschritt und dem Anerkennen von Grenzen und anderen Berufsgruppen. Das Ziel kann und darf es nicht sein den Patienten dem Wohlwollen von ÄLRD und der Unfähigkeit einzelner auszusetzen! Das Ziel muss es sein Unfähigkeit im eigenen Berufsfeld zu bekämpfen und dem Patienten ein vom ÄLRD ungebundene zeitgemäße Versorgung zukommen zu lassen. Wer sich lieber an der Unfähigkeit einiger und am Stand der Ärzte orientiert und hier demütig wird, der ist für die Berufsbilder im Rettungsdienst ein größeres Problem, wie der unfähige Retter.