Pilotprojekt "Telenotarzt Bayern"

    • Pilotprojekt "Telenotarzt Bayern"

      Nach einigen Regionen in Deutschland zieht nun auch Bayern nach. Pilotstandort ist der Rettungsdienstbereich Straubing mit derzeit 21 angeschlossenen Rettungswagen. Start des Feldversuchs war bereits im Dezember 2017 mit anfangs 2 Rettungswagen.
    • Das geht aber mit dem aktuellen LP15 noch nicht, oder? Dazu braucht es entweder das Corpuls oder den Nachfolger vom LP15, der Vitaldaten übertragen kann, oder täusche ich mich?

      Das Projekt klingt auf jeden Fall gut. Ist da eine Videoübertragung vom NA in den RTW auch dabei, oder nur Vitalwerte und sonstige Beschreibungen durch das RTW-Team per Telefon?
    • Irgendwie kann ich den ganzen Hype nicht so recht verstehen und teilen, vor allem wenn man über den Tellerrand schaut und die Idee dahinter betrachtet.

      Telemedizin ist etwas, das in Deutschland in den letzten rund 10 Jahren immer mehr und immer öfter "erforscht" wurde und immer wieder wurde die mangelnde Erfahrung ... betont. Tatsächlich ist Telemedizin eine eigentlich sehr alte Sache und auch etablierte Sache, was auch für Deutschland gilt (siehe "Die Seenotretter / DGzRS" mit z.B. Corpuls 08/16). Warum man hier also immer wieder Erprobungs- und Pilotprojekte aus dem Boden schießen erschließt sich mir nicht, vor allem wenn es mal wieder um die "Erforschung" der Möglichkeiten und Anwendung geht.
      Fragwürdig ist ein entsprechendes Projekt für mich auch, wenn es nur in der Verbindung mit einem NEF-Einsatz oder bei kleinsten Sachen schon zum tragen kommt. Aus meiner Sicht geht es hierbei weniger darum dem Patienten tatsächlich zu helfen, als viel mehr darum an alten Zöpfen festzuhalten (<= Notkompetenz / Medikamentengabe). Würde das System auch ohne die Alarmierung eines NEF zur Anwendung kommen und oder bei Anwesenheit eines NA als fachärztliche Beratung, dann könnte der Rettungsdienst und vor allem auch der Patient davon profitieren.

      Alles in allem eine gute Sache, wenn es eben unter anderen Bedingungen betrieben würde. Es bleibt aus meiner Sicht zu hoffen, dass man aus diesem Pilotprojekt die richtigen Erfahrung zieht um wirklich etwas bewegen und erreichen zu können.
    • Grzobra schrieb:

      Tatsächlich ist Telemedizin eine eigentlich sehr alte Sache und auch etablierte Sache, was auch für Deutschland gilt (siehe "Die Seenotretter / DGzRS" mit z.B. Corpuls 08/16). Warum man hier also immer wieder Erprobungs- und Pilotprojekte aus dem Boden schießen erschließt sich mir nicht
      So etabliert scheint sie nicht zu sein. Sonst hätten wir diese nämlich flächig in der Republik. Zudem forscht jeder auf einer anderen Grundlage und jeder zieht andere Schlüsse. Es gibt ja nun doch einiges an örtlichen Gegebenheiten, weshalb man diese Technik nicht 1:1 an andere Standorte überträgt. Sei es Infrastruktur, NA-Dichte oder welcher Grund auch immer.

      Wir sehen das ja gerade auch bei der Paralleldiskussion zum Thema STEMO. Nicht überall ist das STEMO sinnig einsetzbar. Berlin setzt drauf, München und Umland auf TEMPIS, andernorts wiederum setzt man auf reine Tele-Strokes. Das Ziel ist überall das selbe, aber bekanntlich führen viele Wege nach Rom.

      Grzobra schrieb:

      Würde das System auch ohne die Alarmierung eines NEF zur Anwendung kommen und oder bei Anwesenheit eines NA als fachärztliche Beratung, dann könnte der Rettungsdienst und vor allem auch der Patient davon profitieren.
      Gerade die Nutzung ohne Alarmierung des Notarztes wäre kontraproduktiv. Es ist nicht zu unterschätzen, dass es durchaus Defizite geben kann, wenn ein Arzt nicht physisch anwesend ist. Klar, die Verfechter der Paramedic-Systeme werden mir da nicht zustimmen. Dennoch halte ich es für weiterhin nötig, auch auf den physischen NA zu setzen und die Strukturen weiter vorzuhalten und nicht wegen der Telemedizin zu minimieren oder komplett abzuschaffen.

      Eine fachärztliche Beratung wäre für mich durchaus wünschenswert, ist aber nur möglich, wenn man die Telemedizin nicht in der Leitstelle, sondern in einem Maximalversorger ansiedeln würde. Vielleicht ist dies ja gerade die Erkenntnis, die man aus der Pilot-Zeit ziehen kann.

      Alles in allem finde ich das System sinnig und auch nur als Ergänzung zu bestehenden Strukturen. Einen physischen NA sollte das Thema in den geringsten Fällen ersetzen. Eher sollte man das Ganze auch als ergänzenden Ansprechpartner ansehen. Beispielsweise dann, wenn aus einem Notfall vor Ort eine NA-Indikation wird und der Arzt einen weiten Anfahrtsweg hat.
    • Bei dieser Art von Erprobung und Erforschung geht es doch vor allem um 3 Punkte:
      1. Darum ein etabliertes System nicht vor den Kopf zu stoßen und dort um Akzeptanz zu buhlen.
      2. Mal wieder die lokalen Besonderheiten auszudrücken (Welche es eigentlich kaum gibt bzw. die nicht relevant sind.)
      3. Jemanden die Chance zu geben sich über eine Erprobung / Erforschung einen Namen zu machen.

      Das die Telemedizin etabliert ist und bereits bestehende Strukturen durchaus auch anderen Orts funktionieren zeigt wie gesagt das System der DGzRS und vor allem das System Telenotarzt aus Aachen. Bei der DGzRS setzt man bereits seit Jahrzehnten auf Telemedizin und im Ausland tlw. noch viel länger, z.B. USA. Telemedizin als Neuerung (in Deutschland) anzupreisen und damit die Erforschung zu begründen ist also mindestens fragwürdig.
      Betrachtet man sich das Aachener Telenotarztprojekt, dann kann man sehr gut erkennen, dass das System auch anderen Orts leicht etabliert werden kann. Betrachtet man sich die Erfahrung und den Aufbau in Aachen, dann kann man wohl behaupten, dass der Einsatz trotz bayerische Eigenheiten auch dort unkompliziert möglich ist.


      Bezüglich dem parallel Alarm des NA:
      Auch hier zeigen die Erfahrungen aus den Projekten der Seenotretter und des Telenotarztes Aachen sehr wohl, dass in gewissen Fällen eine "hochwertige" Versorgung auch ohne Notarzt möglich ist. Ein Notarzt ist immer dann von Nöten, wenn es eben nicht nur um theoretisches Fachwissen geht, sondern auch um tatsächliche "händische" Fertigkeiten. Als Beispiel wird einem ein Telenotarzt bei einem schwierigen Atemweg nur wenig bringen, hier bringt einem ein erfahrener und guter Notarzt vor Ort weitaus mehr. Im Gegenzug kann der Telenotarzt bei der reinen Gabe von z.B. einem Antiemetikum einen echten Notarzt durchaus ersetzen oder beim komplexen EKG / bei der komplexen Dauermedikation diesen ggf. sinnvoll ergänzen. Diese Ergänzung des bisherigen NA-Systems kann übrigens sehr gut außerhalb von integrierten Leitstellen und Häusern der Maximalversorgung erfolgen, in eigenen Telenotarztleistellen mit entsprechenden Angestellten kann einiges an Kompetenz und Unabhängigkeit geboten werden.
      Sicher soll der bei uns etablierte Notarzt nicht durch ein solches System komplett abgeschafft werden, der tatsächliche Notarzt sollte in Zukunft aber nur noch da um Einsatz kommen, wo seine Kompetenz zur Diagnosefindung und oder Therapie tatsächlich gebraucht wird. Den bisherigen inflationären Einsatzes des Notarztes (z.B. Zugang legen; Gabe eines Antiemetikums; einfache Analagsie;...) können wir uns in Zukunft aufgrund des Ärztemangels nicht mehr leisten, auch macht es auf Grundlage der gestiegen Ausbildungskompetenz des nicht ärztlichen Rettungsdienstpersonals und des technologischen Fortschritt kein Sinn.
    • Grzobra schrieb:

      Den bisherigen inflationären Einsatzes des Notarztes (z.B. Zugang legen; Gabe eines Antiemetikums; einfache Analagsie;...) können wir uns in Zukunft aufgrund des Ärztemangels nicht mehr leisten, auch macht es auf Grundlage der gestiegen Ausbildungskompetenz des nicht ärztlichen Rettungsdienstpersonals und des technologischen Fortschritt kein Sinn.
      Alles schön und gut. Aber solange wir keine entsprechenden Gesetzesänderungen in den Ländern erreichen (übrigens ist das Föderalismusprinzip in meinen Augen auch ein Grund für "viele" gleichgelagerte Pilotprojekte) kann sich der Tele-NA in seiner Funkbutze auf den Kopf stellen.