Positiver Outcome bei Adrenalin-Gabe zweifelhaft

    • Ui, das kann jetzt ne Grundsatzdiskussion und zur Glaubensfrage werden.

      Man kann die Unterschiede in der Häufigkeit des Auftretens der neurologischen Schäden jetzt damit begründen (so tut es der Artikel, bzw. die Studie), dass diese direkt durch Adrenalin verursacht wurden, oder man kann behaupten, dass durch Adrenalin Menschen, die durch den Kreislaufstillstand bereits einen schweren Hirnschaden erlitten haben und ohne Supra tot geblieben wären, nun durch die Adrenalingabe dennoch überlebt haben.
      Das wird jetzt aber schwierig (weil unethisch) zu untersuchen sein. Wenn nur jeder 112. Reanimationspatient wegen Adrenalin einen ROSC erreicht, würde es bedeuten, dass nur bei 0,89% der Reanimationen, die nicht auf CPR/Defi anspringen, durch Adrenalingabe überleben. Von diesen 0,89% versterben 96,8%. Von den Überlebenden ca. 0,03%, erleiden widerum 30,1% schwere Hirnschäden (0,0086% der ursprünglichen Reanimationen). Wie vielen Patienten Adrenalin vorenthalten werden müsste, um eine statistisch verwertbare Zahl herauszubekommen, will ich mir lieber nicht vorstellen.
      Folglich wird es wohl bei der Supragabe bleiben (müssen), da Studien bezüglich dieses minimalen Prozentsatzes ethisch nicht zu rechtfertigen wären (wenn ich richtig gerechnet habe).
    • Wie Ossi bereits angedeutet hat, sind so Statistiken / Studien schwierig, da selten vom exakt gleichen "Grundwert" ausgegangen wird. Das gleiche, bzw. ein ähnliches Ergebnis haben die Japaner 2012 bekommen, die Amerikaner haben 2014 "rausgefunden", dass die frühzeitige Supragabe das neurologische Outcome verbessert (dennoch erreich nur 7% ein gutes neurologisches Outcome). Auch die Franzosen haben 2014 eine Studie über die längerfristigen Folgen gemacht, da kam aber folgendes bei raus: " 31 Prozent aller Patienten überlebten bis zur Klinikentlassung, 29 Prozent ohne wesentliche neurologische Einschränkung. Doch während nur 17 Prozent der Patienten nach Adrenalingabe mit einem guten neurologischen Ergebnis davonkamen, waren es in der Gruppe ohne Adrenalin 63 Prozent."


      Das Problem bzw. die Schwäche solcher Studien, das ich oben angesprochen habe ist einfach, dass ich die Patienten nicht einfach in 2 Gruppen einteilen kann, dazu müssten bei allen Patienten die gleiche Grundvorraussetzung gegeben sein, was sie ja einfach nicht ist. Ich nehme mal 2 etwas "extreme" Beispiele raus. Ein Patient der (viel) Adrenalin bekommen hat, hat ein schlechteres outcome, als ein Patient der wenig / keins bekommen hat. Liegt das jetzt am Adrenalin, oder an der Tatsache, dass der Suprapatient von Anfang an, einen nicht defibrillierbaren Rhytmus hatte, länger reanimiert wurde und vielleicht auch älter / kränker ist, während der wenig / kein Supra Patient, einen defibrillierbaren Rhytmus hatte, oder auch kürzer reanimiert wurde, weil er vielleicht auch jünger und gesünder ist?


      Desweiteren ist das mit der Statistik so eine Sache. Immerhin ist es statistisch ja auch "plausibel", dass der Storch die Babys bringt, denn in Ländern in denen viele Storchenpaare leben ist die Geburtsrate auch höher, siehe hier. Dass dem natürlich nicht so ist, wissen wir seit dem Bio-Unterricht in der 6. Klasse :P


      Als ich mal in meiner Ausbildung einen Notarzt gefragt habe, was denn das Zeug so bringt, dass wir während einer Rea da rein kippen, hat er gelächelt und folgende Antwort gegeben: "So wirklich wissen wir das alle noch nicht, aber anscheinend hat es sich bewährt, dass es seit Jahren goldener Standard ist, also muss ja irgendwas dran sein."
    • ffhamburg192 schrieb:

      mit diesem glorreich-dämlichen Argument werden ha auch sitzen Jahren Traumapatienten in Halskrause gezwängt und auf Bretter geschnallt.
      Na ja, da kann man sich ja wenigstens noch herleiten, dass ein (an)gebrochenes Genick, geschient stabiler ist, als ungeschient und mit dem Stiffneck schwere Folgeschäden vermieden werden können. Wenn ich die Studie *dazu* richtig in Erinnerung habe, wird da auch weniger der Stiffneck als solcher in Frage gestellt, sondern eher der Kosten-Nutzen-Faktor, da viele Stiffnecks nicht korrekt angelegt werden (also jetzt vom Handling bei der Anlage und dem entgültigen Sitz). Und das Brett gerät wieder ins Aus, zugunsten der Matratze (wer auch immer da ursprünglich mal rausgefunden haben will, dass man 7-Punkt-fixiert an nem flachen Brett besser immobilisiert ist, als in einer an den Körper angepassten Vakuummatratze).
    • FaRa schrieb:

      Das Problem bzw. die Schwäche solcher Studien, das ich oben angesprochen habe ist einfach, dass ich die Patienten nicht einfach in 2 Gruppen einteilen kann, dazu müssten bei allen Patienten die gleiche Grundvorraussetzung gegeben sein, was sie ja einfach nicht ist. Ich nehme mal 2 etwas "extreme" Beispiele raus. Ein Patient der (viel) Adrenalin bekommen hat, hat ein schlechteres outcome, als ein Patient der wenig / keins bekommen hat. Liegt das jetzt am Adrenalin, oder an der Tatsache, dass der Suprapatient von Anfang an, einen nicht defibrillierbaren Rhytmus hatte, länger reanimiert wurde und vielleicht auch älter / kränker ist, während der wenig / kein Supra Patient, einen defibrillierbaren Rhytmus hatte, oder auch kürzer reanimiert wurde, weil er vielleicht auch jünger und gesünder ist?
      Da im angehängten Artikel die Studie Adrenalin-Placebos verwendet hat, würde ich davon ausgehen, dass die Indikationen für eine Gabe gleich sind und Faktoren wie längere/kürzere Rea-Zeiten sowie Alter sich ausgleichen. Siehe dazu: Randomisierung. Die Frage wäre hierbei natürlich, ob die Grundgesamtheit groß genug ist.

      TheOssi schrieb:

      Wenn nur jeder 112. Reanimationspatient wegen Adrenalin einen ROSC erreicht, würde es bedeuten, dass nur bei 0,89% der Reanimationen, die nicht auf CPR/Defi anspringen, durch Adrenalingabe überleben. Von diesen 0,89% versterben 96,8%. Von den Überlebenden ca. 0,03%, erleiden widerum 30,1% schwere Hirnschäden (0,0086% der ursprünglichen Reanimationen). Wie vielen Patienten Adrenalin vorenthalten werden müsste, um eine statistisch verwertbare Zahl herauszubekommen, will ich mir lieber nicht vorstellen.
      Das ist korrekt. Insbesondere da es sich um eine Doppelblind-Studie handelt, kann es auch kritisch werden, wenn man einen Patienten mit anderen Symptomen/Diagnosen mit Adrenalin versorgen möchte und dann (unwissentlich) nur Wasser gibt.
    • TheOssi schrieb:

      Da unterstelle (im Sinne von hoffe) ich jetzt einfach mal, dass man, um sowas auszuschließen, ne extra Rea-Tasche hat(te) und nicht auch z. B. die Anaphylaxie mit Placebo-Supra behandelt hat.
      Korrekt. Und wenn man mal selber die Studie lesen würde, würde man genau das lesen und auch viele Fragen, die sich hier auftaten beantwortet finden.
      Macht hald wieder keiner...
    • Ist halt arg viel auf arg Englisch. Das spreche ich zwar recht flüssig, aber auch wiederum nicht so gut, dass ich mir da jetzt unbedingt ne wissenschaftliche Abhandlung drin durchlesen (wollen) würde.
      Es tut mEn auch nix zur Sache für das Ergebnis dieser Studie, zu wissen, wie das Adrenalin verpackt war, bzw. ob/wie man Placebogabe bei anderen Krankheitsbildern ausschließen kann.
      Bei knapp 0,09% relevant überlebender ist dennoch eine genaue Nachprüfung eben dieser Patientengruppe durch erneute Doppelblindstudie nahezu unmöglich.
      Um wirklich einen validen Rückschluss auf das Adrenalin schließen zu können, müsste man eine Studie mit gesunden Patienten machen, die man gezielt in einen Kreislaufstillstand bringt und dann annähernd 100%ig identisch reanimiert (Zeitpunkt und Anzahl der Defis, Zeitpunkt und Anzahl der Supra- bzw. Placebogabe und - natürlich - Zeitpunkt des ROSC).
      Das ist zwar vielleicht irgendwie möglich, aber maximalst unethisch und folglich nicht durchführbar.

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    • Meine in Posting 2 genannte leider immer noch nicht (weil im Grunde unmöglich).

      Ich wiederhole sie gerne: Haben durch Adrenalingabe mehr Überlebende einen Hirnschaden erlitten, oder haben einfach mehr Patienten, die durch Hypoxie bereits einen Hirnschaden erlitten hatten, überlebt?

      Ich VERMUTE letzteres, kann es aber - eben wie die Studie - weder beweisen noch widerlegen.