SQR-BW: Rettungsdienst fährt in Baden-Württemberg zu selten zum Traumazentrum

    • NEF-Fahrer schrieb:

      Ich bleibe dabei, ein Traumapatient bekommt einen Stiffneck sofern er nicht schon einen hat bei Ankunft. Erst nach erfolgter radiologischer Sicherung, dass der Dens und die übrige HWS unversehrt sind kann die Immobilisation entfernt werden.
      Dieser Absolutismus verwundert mich etwas. Die Canadian C-Spine-Rule gibt eine gute Hilfestellung, ob ein Trauma-Patient immobilisiert werden sollte. Es ist schade, dass sich erst jetzt so langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass eine HWS-Immobilisation erhebliche Folgeschäden haben kann und in jedem Falle eine Abwägung von Nutzen und Risiko erfolgen sollte. Die erste Studie zu diesem Thema ist schon über 20 Jahre alt.
    • Das hat mit Absolutismus nichts zu tun. Ich orientiere mich einfach in meiner Patientenversorgung an den aktuell gültigen Leitlinien.
      Wenn ein anderer ärztlicher Kollege seine Patienten anders als in den Leitlinien empfohlen behandeln mag, dann kann er das ja gerne tun. Im Streitfall muss man es halt eben begründen können warum man von der gültigen Leitlinie abgewichen ist...
      Für mich persönlich ist beim Traumapatient die HWS so lange instabil bis ich vom Radiologen das Gegenteil gehört habe. Sollte in ein paar Jahren in der Novelle der Leitlinie eine andere Herangehensweise empfohlen werden was die HWS Immobilisation angeht, dann passe ich mich dem gern an.

      Auch die bereits mehrmals angesprochenen Risikofaktoren wie Anstieg des ICP halte ich in diesem Falle für hinten angestellt, denn hier kann ich ebenfalls andere Verfahren verfolgen um den ICP auch präklinisch zu reduzieren. Guter ICP aber kaputtes Myelon bringt meiner Meinung nach dem Patienten nix. Und mir auch nichts, wenn ich mich dafür rechtfertigen muss weshalb der Patient keine HWS Immobilisation bekommen hat.
      Das ist einfach meine persönliche, ärztliche Meinung zu dem Thema.
      Grüße, NEF-Fahrer

      ILS Schweinfurt (ID: 474) lstsim.de/leitstellen/474/
    • Dann müsstest du aber rein theoretisch, alle Extremitäten in Schienen packen und dann den ganzen Patienten noch in die Vakuummatratze, weil es könnte ja irgend ein Knochen kaputt sein. JA das ist eine extreme Übertreibung und ein gebrochener Arm ist definitiv nicht mit ner Fraktur in der HWS zu vergleichen. Aber nur weil der Unfallmechanismus rein theoretisch ne HWS Schädigung hätte hervorrufen können, aber der Patient keine Beschwerden hat, bekommt initial keinen Stifneck.
    • Lumidor schrieb:

      Dann müsstest du aber rein theoretisch, alle Extremitäten in Schienen packen und dann den ganzen Patienten noch in die Vakuummatratze, weil es könnte ja irgend ein Knochen kaputt sein. JA das ist eine extreme Übertreibung und ein gebrochener Arm ist definitiv nicht mit ner Fraktur in der HWS zu vergleichen. Aber nur weil der Unfallmechanismus rein theoretisch ne HWS Schädigung hätte hervorrufen können, aber der Patient keine Beschwerden hat, bekommt initial keinen Stifneck.
      Finde ich falsch und definitiv nicht zu Ende gedacht.

      1. Nur weil der Patient nicht über Beschwerden an der HWS klagt heißt das definitiv nicht, dass keine HWS Verletzung vorliegt. Entschuldige Lumidor, aber diesen Gedankengang von dir finde ich absolut falsch. Wenn ich ehrlich sein darf, dann stellen sich mir da sogar die Nackenhaare auf.
      Alte Patienten oder Patienten mit Osteoporose oder sonstigem (oder alles zusammen) haben sehr oft aufgrund von Bagatelletraumen Verletzungen der HWS i.S. einer Densfraktur die nicht symptomatisch sind und erst durch die Diagnostik in der Klinik auffallen (was mich in meiner "HWS-erst-abmachen-wenn-Bildgebung-Ok-Handhabe durchaus bestätigt.). Das passiert wirklich oft. Nur weil der Patient keine Beschwerden an der HWS hat heißt es noch lange nicht, dass der Patient nichts an der HWS hat...

      2. Was ist denn das für ein hinkender Vergleich mit der Fraktur einer Extremität? An einer exponierten Extremität kann ich Frakturzeichen erkennen, sowohl durch Inspektion als auch durch manuale Untersuchung. Das kann ich an der HWS schonmal nicht so gut. Weiterhin stellt eine isolierte Extremitätenfraktur in keiner Weise eine Gefahr für die absolute körperliche Integrität des Patienten dar (Querschnitt), wie es eine dislozierte HWS Fraktur darstellen würde, die das Myelon zerquetscht.

      Wenn du allen Patienten mit Trauma aber ohne entsprechende Klinik keine HWS Immobilisation verpasst ist es meiner Meinung nach nur eine Frage der Zeit bis du jemanden fährst bei dem du eine Fraktur übersehen hast (wenn du nicht schon einen gefahren hast bei dem das so war...). Klar, in den meisten Fällen geht das trotzdem gut aus, aber lass es mal eine alte osteoporotische Dame sein, die nach einem Bagatelletrauma eine D'Alonzo II Densfraktur erleidet, von dir keine HWS Immobilisation aufgrund von fehlender Klinik bekommt und dann einen Querschnitt hat weil ihr Rückenmark durch den abgekippten Dens kaputt ist. Vollkommen egal ob du RS, RA, NFS oder Arzt bist Lumdor, wenn da jemand klagt, dann hoffe ich für dich dass du gut versichert bist...
      Grüße, NEF-Fahrer

      ILS Schweinfurt (ID: 474) lstsim.de/leitstellen/474/
    • Zu zwei lerne bitte Sarkasmus, ich habe sogar noch dahinter geschrieben das es eine extreme Übertreibung war.

      Ich glaube wir sprechen hier von zwei völlig unterschiedlichen Patienten Gruppen. Mein Gedankengang geht hier eigentlich an den 22 jährigen Patienten der mit geringer Geschwindigkeit einem beweglichem Opfer hinten drauf gefahren ist. Die osteoporotische Oma ist doch eher selten in solchen Fällen. Außerdem gehört natürlich eine Abklärung von Vorgeschichte und Risikofaktoren mit dazu. Daher auch weiterhin, der junge Patient der keine Klinik hat und wo der Unfallmechanismus entsprechend ist, bekommt prophylaktisch keinen Stifneck. Besonders nicht wenn man mal wieder nach 15 Minuten ankommt und man den Patienten mit Gewalt aus seinem Auto ziehen muss, weil dieser in den Untiefen seines Autos nach den Papieren sucht. Meist Kopfüber und völlig verdreht.
    • Lumidor schrieb:

      Zu zwei lerne bitte Sarkasmus, ich habe sogar noch dahinter geschrieben das es eine extreme Übertreibung war.

      Ich glaube wir sprechen hier von zwei völlig unterschiedlichen Patienten Gruppen. Mein Gedankengang geht hier eigentlich an den 22 jährigen Patienten der mit geringer Geschwindigkeit einem beweglichem Opfer hinten drauf gefahren ist. Die osteoporotische Oma ist doch eher selten in solchen Fällen. Außerdem gehört natürlich eine Abklärung von Vorgeschichte und Risikofaktoren mit dazu. Daher auch weiterhin, der junge Patient der keine Klinik hat und wo der Unfallmechanismus entsprechend ist, bekommt prophylaktisch keinen Stifneck. Besonders nicht wenn man mal wieder nach 15 Minuten ankommt und man den Patienten mit Gewalt aus seinem Auto ziehen muss, weil dieser in den Untiefen seines Autos nach den Papieren sucht. Meist Kopfüber und völlig verdreht.
      Du solltest schon etwas genauer spezifizieren welches Patientengut du meinst. Deine Aussage war: Inadäquates Trauma ohne Symptomatik - Kein Stiffneck. Von jungen Patienten in den Zwanzigern die mit geringer Geschwindigkeit auf bewegliche Oper aufgefahren sind lese ich jetzt zum ersten Mal.

      Also so generell finde ich, dass die osteoporotische Oma im Vergleich zum jungen, gesunden 22 Jährigen doch recht häufig als Traumapatient auftaucht...

      Und selbst wenn du nach 15 Minuten ankommst und der Patient in seinem (gehen wir mal davon aus) total kaputtem Auto rumturnt, dann solltest du auch die HWS immobilisieren, vollkommen egal wie lange der Patient schon am Unfallort rumgeturnt ist, denn er weiß es ja nicht besser. Du solltest dann die HWS immobilisieren anstatt dir zu denken "Naja, jetzt is es ja eh schon egal...". So kam dein Post nämlich jetzt rüber...

      Irgendwie drehen wir uns ja auch im Kreis. Ich glaube wir sind uns einig, dass wir uns uneinig sind... ;) Generell denke ich, dass im Bedarfsfall jeder von uns eine HWS Immobilisierung durchführen wird. Bei dem einen liegt die "Schwelle" zum Anlegen halt höher, beim anderen niedriger... Kann ja, wie schon mehrmals gesagt jeder machen wie er mag. Im Bedarfsfall muss man halt nur begründen können warum man was wie gemacht hat.
      Grüße, NEF-Fahrer

      ILS Schweinfurt (ID: 474) lstsim.de/leitstellen/474/