Rettungsassistent zeigt sich wegen mangelnder Rechtssicherheit bei der BtM-Gabe selbst an

    • Rettungsassistent zeigt sich wegen mangelnder Rechtssicherheit bei der BtM-Gabe selbst an

      Die Anwaltskanzlei Steenberg in Pforzheim hat am 12. Juni 2016 für einen Rettungsassistenten, der einem Notfallpatienten eigenverantwortlich Morphium verabreicht hatte, eine Selbstanzeige wegen Verstoßes gegen das BtMG bei der Staatsanwaltschaft Baden-Baden gestellt.


      Vorausgegangen war ein Disput zwischen dem RD-Mitarbeiter und der ärztlichen Leitung des Rettungsdienstes über die eigenverantwortliche Gabe des Betäubungsmittels in dem besagten Fall. Der Rettungsassistent hatte in einem Einsatz eigenverantwortlich 2 mg Morphium verabreicht. Zuvor hatte er einen Notarzt nachgefordert, die ILS hatte ihm aber mitgeteilt, dass kein Notarzt abkömmlich sei.
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      Status 10

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    • Ich finde das ganze doch ok, gerade wenn ich höre das der Patient sein Einverständnis gab. Und dann noch die Einschätzung der Ärzte, welche das ganze noch untermauerten. Traurig daran ist natürlich wieder der Part:

      SK Verlag schrieb:

      Zuvor hatte er einen Notarzt nachgefordert, die ILS hatte ihm aber mitgeteilt, dass kein Notarzt abkömmlich sei.
      Deswegen fände ich da eine Regelung toll, mit welcher der Rettungsassistent befähigt wird einen Diensthabenden Arzt (sei es der Arzt im nächsten KH oder der nächste NA) anzurufen und dieser kann dann seine Abschätzung abgeben. Diese beiden Entscheidungen und das Einverständnis des Patienten zusammen dürfen des RA dann zur Gabe des Medikamentes befähigen (in einer niedrigen Dosis).
    • Ich finde es sicher mal interessant, was bei der ganzen Sache rum kommen wird, wenn es denn tatsächlich zu einer höchstrichterlichen Entscheidung kommt. Ob und wie sich dieses etwaige Urteil dann auf den gesamten RD bzw. das Berufsbild RA oder NFS anwenden lassen wird, vermag ich nicht abzuschätzen.

      Im vorliegenden Fall kann man sich getrost auf die Notkompetenz berufen, denke ich.

      @Chr60: Ich sehe das generell schwierig, wenn ein Arzt aufgrund einer Schilderung eines RA/NFS am Telefon weitreichende Entscheidungen treffen soll, ohne den Patienten gesehen zu haben. Und grundsätzlich habe ich ja die Möglichkeit, mich mit meinem auf Anfahrt befindlichen NA abzustimmen (passt irgendwie zum Thema NA in ILS Berlin). Ich denke, so etwas könnte nur über ein Tele-NA-System mit relativer Sicherheit geleistet werden.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Manu Schwarzenberger ()

    • Chr60 schrieb:



      SK Verlag schrieb:

      Zuvor hatte er einen Notarzt nachgefordert, die ILS hatte ihm aber mitgeteilt, dass kein Notarzt abkömmlich sei.
      Deswegen fände ich da eine Regelung toll, mit welcher der Rettungsassistent befähigt wird einen Diensthabenden Arzt (sei es der Arzt im nächsten KH oder der nächste NA) anzurufen und dieser kann dann seine Abschätzung abgeben. Diese beiden Entscheidungen und das Einverständnis des Patienten zusammen dürfen des RA dann zur Gabe des Medikamentes befähigen (in einer niedrigen Dosis).

      Nunja, ein Arzt kann nichts deligieren, wenn er sich nicht selbst ein Bild des Patienten machen kann. Insofern dürfte eine rein telefonische Absprache schwierig bis überhaupt nicht zu werten sein bzw. die wenigsten Ärzte werden sich auf so etwas einlassen.

      Auch ich bin gespannt über das Ergebnis dieses Vorfalls, gerade weil alles gut ging und in meinen Augen (zumindest nach der Schilderung im Artikel) sogar sehr vorbildlich gehandelt wurde: Es wurden alle weniger invasiven Möglichkeiten ausgeschöpft, der Patient wurde aufgeklärt und hat zugestimmt, die Maßnahme führte zur erhofften Besserung des Patientenzustands und sogar in der aufnehmenden Klinik wurde die Therapie als gut bewertet. Auch die Menge von 2mg halte ich erstmal für vertretbar :thumbup:

      Sollte der Fall tatsächlich Konsequenzen (arbeitsrechtlich oder sogar strafrechtlich) haben, bin ich auf deutschlandweite Reaktionen gespannt, besonders in Hinblick auf das neue Berufsbild. Ich persönlich bin jedenfalls gespannt!

      Gruß
      Jonny
      ILS Region INGOLSTADT - ID 1426
      Stadt Ingolstadt - Lkr. Eichstätt - Lkr. Neuburg-Schrobenhausen - Lkr. Pfaffenhofen a.d. Ilm
    • Chr60 schrieb:



      Deswegen fände ich da eine Regelung toll, mit welcher der Rettungsassistent befähigt wird einen Diensthabenden Arzt (sei es der Arzt im nächsten KH oder der nächste NA) anzurufen und dieser kann dann seine Abschätzung abgeben. Diese beiden Entscheidungen und das Einverständnis des Patienten zusammen dürfen des RA dann zur Gabe des Medikamentes befähigen (in einer niedrigen Dosis).

      Eine telefonische Schilderung der Situation und dadurch die durch den Arzt gegebene Freigabe einer Medikamentengabe durch den RA/NFS finde ich nicht praktikabel. Ich als Arzt würde mir diesen Schuh nicht anziehen, dass ich bei einem mir nicht bekannten Patienten durch eine telefonische Schilderung eine Medikamentengabe anordne, bzw. eher freistelle und dann im Zweifelsfall haftbar gemacht werde, wenn die Sache in die Binsen geht. Nein danke.

      Manu Schwarzenberger schrieb:



      @Chr60: Ich sehe das generell schwierig, wenn ein Arzt aufgrund einer Schilderung eines RA/NFS am Telefon weitreichende Entscheidungen treffen soll, ohne den Patienten gesehen zu haben. Und grundsätzlich habe ich ja die Möglichkeit, mich mit meinem auf Anfahrt befindlichen NA abzustimmen (passt irgendwie zum Thema NA in ILS Berlin). Ich denke, so etwas könnte nur über ein Tele-NA-System mit relativer Sicherheit geleistet werden.

      Das mit der telefonischen Schilderung sehe ich genauso. Das ganze mit dem Tele-Notarzt sehe ich aber eben auch skeptisch. Die Angabe von einer Medikation ohne den Patienten persönlich visitiert zu haben könnte im Zweifelsfall als Fahrlässigkeit ausgelegt werden finde ich. Als Arzt wäre ich an dieser Stelle, gerade in Zeiten von steigender Klagebereitschaft, äußerst vorsichtig. Kenne ich den Patienten nicht persönlich, dann kann ich ihn auch nicht behandeln finde ich.

      SJonny schrieb:


      Nunja, ein Arzt kann nichts deligieren, wenn er sich nicht selbst ein Bild des Patienten machen kann. Insofern dürfte eine rein telefonische Absprache schwierig bis überhaupt nicht zu werten sein bzw. die wenigsten Ärzte werden sich auf so etwas einlassen.
      100% Zustimmung. Meiner Meinung nach in Deutschland absolut nicht praktikabel. Ohne Visite keine Therapie.
      Grüße, NEF-Fahrer

      ILS Schweinfurt (ID: 474) lstsim.de/leitstellen/474/
    • Stimmt, aber wenn Du Dir als RA/NFS zuvor das telefonische Einverständnis des sich auf der Anfahrt befundenen NA einholst, kannste Dir schonmal recht sicher sein, dass der Dir nicht in den Rücken fällt, wenn Du ne ärztliche Maßnahme ergreifst. Jedenfalls nicht, so lange es gut geht.
    • Angus schrieb:

      securo schrieb:

      Die Aufregung ist schon vorbei, die Staatsanwaltschaft hat die Sache zu den Akten gelegt.
      Mit welcher Konsequenz oder ist der RettAss jetzt genauso schlau und rechtssicher wie vorher?
      An sich war das abzusehen, einfach weil eigentlich außer Frage stehen dürfte dass die Maßnahme geeignet und indiziert war, um das Rechtsgut "Leben (und körperliche Unversehrtheit)" zu schützen und zu erhalten. Im Idealfall erfolgt vor BtM-Gabe durch den RD eine (telefonische) Rücksprache mit dem zuständigen Notarzt, ist dies aus (Zeit)gründen nicht mehr möglich, und ist sich der RA/NFS in der (Verdachts)diagnose und der Therapie sicher und kann ausschließen dass ein anderes Medikament mit hoher Wahrscheinlichkeit den selben Effekt hätte, so kann die BtM-Gabe auch dann angezeigt sein.
      Die Gerichte und Staatsanwaltschaften sind auch nicht dazu da, rechtliches Unverständnis des Einzelnen zu beheben. Es gibt eigentlich gar keinen Grund, hier eine kostenintensive Gerichtsverhandlung zu führen, wo absolut sicher abzusehen ist dass es eben zu keiner Verurteilung kommen kann.
    • CrashMontague schrieb:


      Die Gerichte und Staatsanwaltschaften sind auch nicht dazu da, rechtliches Unverständnis des Einzelnen zu beheben. Es gibt eigentlich gar keinen Grund, hier eine kostenintensive Gerichtsverhandlung zu führen, wo absolut sicher abzusehen ist dass es eben zu keiner Verurteilung kommen kann.

      Das seh ich anders. Ich denke schon, dass die Gerichte ihren Teil zur Rechtssicherheit für bestimmte Personengruppen beitragen können und sollen. Dass das funktionieren kann und auch notwendig ist, sieht man - in egal welchem Gebiet der Rechtsfragen - an verschiedensten Präzidenzfällen, deren Urteile oft als Maßstab dienen und damit wie dus so schön gesagt hast "rechtliches Unverständnis des Einzelnen" beheben können. Den Begriff "Richterrecht" gibt es ja nicht erst seit gestern.

      Das darf natürlich nicht dazu führen, dass jeder daher gekommene sagt "oh, jetzt darf ich ein Medikament spritzen, mir passiert ja eh nichts". Aber für jeden, der sich ernsthaft mit der Frage beschäftigt, hätte ein Urteil (wie auch immer es ausfallen mag) sehrwohl ne gewisse Vorlage sein können.

      Gruß
      Jonny
      ILS Region INGOLSTADT - ID 1426
      Stadt Ingolstadt - Lkr. Eichstätt - Lkr. Neuburg-Schrobenhausen - Lkr. Pfaffenhofen a.d. Ilm
    • Auch da ist es, solange es da keine bessere Rechtssicherheit gibt, die ich aber auch einfach nicht sehe, Sache der Landkreise Regelungen zu finden.

      Beispiel: Bei "uns" gibt es einwöchige Pflichtfortbildungen, die jeder Rettungsdienstmitarbeiter durchlaufen muss und die nach theoretischen und praktischen Prüfungen unter ärztlicher Aufsicht mit einer Zertifizierung enden. Diese umfassen neben vielen Maßnahmen unter anderem auch die Gabe einiger Medikamente. Dadurch kann selbstverständlich keine Rechtssicherheit geschaffen werden, die Mitarbeiter sind aber beim Ergreifen der Maßnahmen sicherer und können letztendlich auch später bei einer evtl. auftretenden rechtlichen Auseinandersetzung besser argumentieren. Voraussetzung für die Durchführung der bei der Zertifizierung freigegebenen ärztlichen Maßnahmen muss sein, dass a) eine weniger invasive Maßnahme nicht zum Erfolg geführt hat, b) ein Notarzt nachfordert wurde, aber nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht, c) dass der Patient über die Maßnahme aufgeklärt wird und d) dass der Patient darüber aufgeklärt wird, dass es eine ärztliche Maßnahme ist.

      Man sieht also: Es hängt auch am Engagement des Rettungsdienstes selbst, um des Patienten willen gangbare Lösungen zu erarbeiten.
      Leitfunkstelle Gießen - lstsim.de/leitstellen/305/
      Wiki-Seite - wiki.lstsim.de/LFSt_Gie%C3%9Fen
    • Ich werfe hier mal den Artikel ein. skverlag.de/rettungsdienst/mel…istenten-eingestellt.html


      In der Begründung habe die Staatsanwaltschaft aber klargestellt, dass die Verabreichung eines Betäubungsmittels durch einen Nicht-Arzt, wie dies in der Anzeige ausgeführt war, objektiv wie subjektiv den Straftatbestand des § 29 I Nr. 6 lit. a) Alt. 1 BtMG erfülle. Sie habe sich aber den Rechtsausführungen der Anwaltskanzlei angeschlossen, dass eine Rechtfertigung des konkreten Verstoßes gemäß § 34 StGB naheliege. Ob § 34 StGB als Rechtfertigung im konkreten Fall greife, lasse die Staatsanwaltschaft offen, da weitere Ermittlungen notwendig wären (Dauer des Transportes, andere medizinische Möglichkeiten). Die Staatsanwaltschaft habe zudem deutlich ausgeführt, dass „eine strafrechtliche Sanktionierung des Vorgangs ersichtlich verfehlt wäre“, da es dem Rettungsassistenten nicht auf eine „Demonstration eigener Machtbefugnisse“ angekommen sei, sondern er in guter Absicht dem Patienten geholfen habe.
      Status 10
    • Was ich mich als Nicht-RDler frage, mal abseits vom rechtlichen Rahmen...

      Das ganze sind ja doch höchstinvasive Maßnahmen, die halt auch schnell mal anders ausgehen/außer Kontrolle geraten können. Da die aber ja eigentlich immer nur im Ausnahmefall getätigt werden und ansonsten nur ggf. einmal jährlich beispielhaft geübt werden, wie soll sich da eine Handlungssicherheit entwickeln? Reicht es dafür, dem im Normalfall anwesenden NA über die Schulter zu schauen???
    • Michael2180 schrieb:

      Was ich mich als Nicht-RDler frage, mal abseits vom rechtlichen Rahmen...

      Reicht es dafür, dem im Normalfall anwesenden NA über die Schulter zu schauen???
      Es soll ja tatsächlich auch Rettungsdienstbereiche geben, in denen man mit den Notärzten zusammenarbeitet... :rolleyes:
      Leitfunkstelle Gießen - lstsim.de/leitstellen/305/
      Wiki-Seite - wiki.lstsim.de/LFSt_Gie%C3%9Fen
    • Realistisch betrachtet muss man aber auch sagen, dass gerade die gängigen BTM in Sachen Nebenwirkungen und Kontraindikationen deutlich leichter zu handeln sind, als einige andere Medis. Lediglich das Suchtpotenzial macht sie so "besonders gefährlich".