Notarzt zu schnell? - Strafbefehl wegen Fahrweise

    • Status3 schrieb:

      Na dann wollen wir mal hoffen, dass die Entscheidung zur Einstellung nicht auf dem durch die Petition erzeugten öffentlichen Druck erfolgt. Das wäre ein Armutszeugnis für unser Rechtssystem...


      Das sehe ich genauso, ein rechtsstaatliches Verfahren sollte nie nur oder in der Hauptsache eingestellt werden, weil irgendwer dagegen ist, dass das Verfahren durchgeführt wird, sondern nur dann, wenn es Beweise für die Unschuld des Angeklagten gibt oder es keine Beweise für seine Schuld gibt. Aber:

      johh schrieb:

      Ich frage mich, warum es in Deutschland nicht Pflicht ist, bei herannahenden Einsatzmitteln rechts ranzufahren und anzuhalten. Gerne auch mit Warnblinker, damit die Einsatzkraft sieht, dass man erkannt worden ist. Das gilt natürlich niht für Autobahnen, aber sonst sehe ich keinen Grund, der dagegen spricht.


      In 25 Jahren Einsatzpraxis hättest du dir mal §38 Abs. 1 StVO durchlesen sollen:

      (1) Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn darf nur verwendet werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten. Es ordnet an: „Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen“.


      Es ist bereits gesetzlich Pflicht, einem herannahenden Einsatzmittel mit Sondersignal Platz zu machen, ihm "freie Bahn zu schaffen". Diese Pflicht besteht allerdings nur, soweit es zumutbar ist, soweit also keine Eigen- oder Fremdgefährdung nötig wäre. Und darauf müssen eben auch die Einsatzkräfte Rücksicht nehmen: Dass eben manchmal Dinge verhindern, dass man Platz macht, und dass man dann entsprechend vorsichtig fahren muss. Das Unfallrisiko mit Blau und Horn ist ohnehin schon recht hoch, das muss man nicht weiter provozieren. Und um so etwas ging es hier: Darum, dass der Arzt möglicherweise Personen dazu genötigt hat, auch unter Eigen- oder Fremdgefährdung "um jeden Preis" Platz zu machen, nicht darum, dass die Menschen an sich nicht eingesehen hätte Platz zu machen.
    • Habe ich gelesen, danke für den Hinwes. Was sagt er denn aus? " Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort Platz zu schaffen" Wie immer ist so etwas Aulegungssache. Daraus kann man man mit einem guten Juristen an der Seite vieles machen. Es gibt zwar Urteile dazu, letztlich dienen Sie aber nur als Leitlinie und auf den jeweiligen Einzelfall bezogen. Wenn man den Paragraphen um....Platz zu machen und anzuhalten... ergänzen würde, dann wäre er eindeutig!
    • Würde aber massive Probleme nach sich ziehen, weil schon jetzt viele anhalten und damit den Verkehrsfluss und das Durchkommen des Rettungsmittels weiter behindern. "Freie Bahn schaffen" bietet recht wenig Auslegungsspielraum, es besagt sehr deutlich: Mach Platz, geh aus dem Weg, sieh zu, dass du verschwindest und den anderen durchlässt.
      Ob nun "Platz machen" durch rechts ranfahren oder durch in die Kreuzung einfahren geschieht, ist dann recht irrelevant, Hauptsache es wird Platz gemacht. Da ist das Gesetz definitiv ausreichend.
    • Abschließend zu den Thema habe ich jetzt noch folgende Berichterstattung gefunden.

      SO ERKLÄRT ES DIE GENERALSTAATSANWALTSCHAFT - "Rasender" Notarzt: Darum ist die Strafe hinfällig

      Nachdem die Staatsanwaltschaft Ingolstadt den Strafbefehlsantrag bereits rausgeschickt hatte, ging die Stellungnahme des Arztes ein, in der dessen Verteidiger seine Sicht der Blaulichtfahrt erklärte. "Diese haben wir nun rechtlich gewürdigt", erklärte Georg Freutsmiedl, Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft München, am Montag in einer Pressekonferenz. Die Art und Weise, wie der Notarzt seine Sicht zur Sichtweite und seinem Ausscheren geschildert hat, habe die Generalstaatsanwaltschaft München und Staatsanwaltschaft Ingolstadt dazu bewogen, den Strafbefehl zurückzuziehen. "Sein Verhalten war weder verkehrswidrig noch rücksichtslos."

      Dass sich die Generalstaatsanwaltschaft in die Entscheidung eingemischt hat, sei keine Rüge für die Staatsanwaltschaft Ingolstadt. "Wir stimmen in dieser gemeinsamen Würdigung überein", so Freutsmiedl. Die Generalstaatsanwaltschaft sei durch die Berichterstattung auf den Fall aufmerksam geworden. "Das bedeutete für uns, dass es notwendig ist, uns das nochmal anschauen." Bei der Entscheidung habe die Online-Petition jedoch keine Rolle gespielt. "Wir entscheiden aufgrund des Sachverhalts."

      Die Entscheidung habe keine Signalwirkung für Blaulichtfahrten, so Freutsmiedl. "Da ist immer konkret der Einzelfall zu prüfen." Konsequenzen für die Anzeigenerstatter hat diese Entscheidung nicht. Die Verteidigung mit Notarzt Hatz werde nun die Verfahrenskosten bei Gericht geltend machen.

      Quelle: Merkur online

      Und hier noch ein einminütiger Beitrag von München TV mit einem Zusammenschnitt der Stellungnahme: Video Merkur online.
    • Lumidor schrieb:

      Die Rechtsanwälte sind echte Widerlinge. Typisch Anwalt. "Fährt per se nicht rücksichtslos" ja ne is klar.



      Achtung!

      Rücksichtslogikeit wird juristisch u.a. so beshrieben:

      Das Merkmal der Rücksichtslosigkeit erfordert eine gesteigerte persönliche Vorwerfbarkeit des Handelnden. Diese liegt vor, wenn man sich aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten als Verkehrsteilnehmer hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit keine Hemmungen gegen seine Fahrweise aufkommen lässt und unbekümmert drauflos fährt. Bei der Beurteilung der Rücksichtslosigkeit kommt es sowohl auf das äußere Tatgeschehen als auch auf die Vorstellungs- und Motivlage des Handelnden an.

      Die Argumentation geht deswegen u.a. dahin, dass ein Notarzt auf Einsatzfahrt nicht rücksichtslos fährt im obigen Sinne, weil er ja gerade nicht aus eigensüchtigen Gründen so fährt. Damit wäre das aber per se nicht rücksichtlos und daher auch 315 c STGB nicht verwirklicht.

      So argumentiert zumindest der Anwalt - und das war scheinbar auch erfolgreich.
    • Mir fällt da gerade auf, dass RA auch so eine im juristischen vielschichtige Abkürzung ist. Für mich heißt das nämlich Rettungsassistent oder Rechtsassessor.
      Was den Begriff der Rücksichtslosigkeit angeht, so ist die zitierte Definition die, die wohl am häufigsten Anwendung findet - was nicht heißt, dass der Begriff nicht auch auf die Fahrweise einiger Blaulichtmenschen passen würde. Wobei ich finde, dass gegenüber Laien das Erklären von in besonderer Weise verwendeten Begriffen zum Anstand gehört.