Schnellbefreiung bei VU

    • *kramstöberwühlentstaub*

      Ich habe seit Samstag meine Meinung tatsächlich revidiert. Zumindest, was die Crash-Rettung eines Patienten aus einem verunfallten Fahrzeug angeht.

      Tagesseminar "THL für Führungskräfte" an der SFSG. Hat sich unterm Strich gelohnt. Auch, wenn die Oslo-Methode hier ein wenig anders beigebracht wird. Hier empfiehlt man pauschal einen Schnitt der A-Säule. Original jedoch: erst ziehen, schauen wo es zwickt, und dann erst einen Entlastungsschnitt machen. Das ist irgendwie untergegangen.

    • Ich kann dem immer noch nichts abgewinnen. In der Regel hast du ja nicht so ein Setting. Entweder ist das Auto um nen Baum gewickelt oder du hast kalt Verformung mit nem anderem Auto. Dann müsstest du ja die Autos erstmal so ziehen, das du sauber anschlagen kannst und da hast doch massive Bewegung im Patienten.
    • :D natürlich ist das technisch nicht das Problem, einen 1,5 Tonnen PKW mit nem 17 Tonnen Löschfahrzeug aus dem Graben auf die Straße zurück zu ziehen. Um dann ein zweites 17 Tonnen Löschfahrzeug davor zu spannen. Ob dies jetzt so Patienten orientiert ist wie @lars.911 gerade schrieb, ist ein ganz anderes Blatt. Und selbst wenn vom NA eine "Crash-Rettung" anberaumt wird, halte ich das immer noch für äußerst kritisch.
      Das Auto hat eine gewisse kinetische Energie abbekommen, damit es sich so verformt, teile diese Energie sind auch auf den Patienten übergegangen. Natürlich ist die Karosse jetzt geschwächt, aber dennoch wieder kinetische Energie auf das komplette Fahrzeug, samt Insasse wirken zu lassen, halte ich für den falschen Weg.
    • Sorry, aber diese sog. patientenorientierte oder patientengerechte Rettung, die vor allem Anfang der 2000er Jahre gepredigt wurde und auf eine vollkommene Schonung des Patienten aus gewesen ist, hat zu ewig langen Befreiungszeiten geführt, während die Patienten immer instabiler geworden sind. Ich sehe da schon fast Parallelen zur Traumaversorgung, die in dieser Zeit regelrecht pervertiert ist.

      Ich schätze mal, dass die Skandinaven schon ihre Erfahrung mit ihrem System gemacht haben, wäre es so patientenschädigend würden sie es nicht anwenden.
    • Du hast es nicht verstanden. Es besteht kein direkter Zusammenhang zwischen "schonend" und "patientenorientiert", wobei auch schonend durchaus in unter 20 Minuten abgearbeitet werden kann.

      Patientenorientiert ist alles, was am aktuellen Zustand des Patienten orientiert ist. Das kann je nach Situation
      • Die schnelle Rettung als "Standardprozedur". Hier spielt die golden Hour eine Rolle, so dass die Rettung nach Max. 20-30 Minuten erledigt ist.
      • Die schonende Rettung als Fall für sicher unkritische Patienten u.a. Mit Va. Wirbelsäulentrauma. Die goldene Stunde kann überschritten werden, wenn es der Zustand des Patienten und die Arbeitsweise erfordert.
      • Die Sofortrettung (früher Crashrettung) als Prozedere für akut vital bedrohte Patienten. Hier geht es um die Platin-10-Minuten. Dabei werden bewusst weitere Schädigungen in Kauf genommen um den Patienten sofort zu retten.
      Generell ist selbstverständlich zügig zu arbeiten.

      Die Skandinavier haben allerdings auch völlig andere Grundvoraussetzungen. Um die goldene Stunde dort einzuhalten muss die Befreiungszeit aufgrund verlängerter Anfahrtszeiten (zur Einsatzstelle und zum entsprechenden Traumazentrum)extrem minimiert werden. Zusätzlich sind die taktischen Einheiten in Schweden deutlich kleiner so dass nur weniger Aufgaben/Zeiteinheit ausgeführt werden können.

      Ich halte das Vorgehen durchaus für eine Methode in der Toolbox, allerdings eher so als Plan T oder noch später. Spätestens wenn der Patient im Fußraum eingeklemmt ist, wird er es dir bei der Maßnahme sehr danken.
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von lars.911 ()

    • Hmm. In Anbetracht der Tatsache, dass die Golden Hour an sich ja beim Trauma-Patienten in Frage gestellt wird und Studien ergeben haben, dass sie nur bei nicht kontrollierbaren, weil inneren bzw. nicht erreichbaren, Blutungen dem Patienten wirklich einen Vorteil verschafft, ist - denke ich - eher die Sinnhaftigkeit der schnellen Rettung zu hinterfragen, als der wie auch immer ausgeführten Sofortrettung.
      Hat der Patient nen brettharten Bauch und nen scheiß Kreislauf, oder läuft mit gerade aus, weil der Oberschenkel durch ist, oder das Becken und ich komme einfach nicht an ihn ran, dann sehe ich die Oslo-Methode - Übung in der Maßnahme und entsprechende Kräftestärke vor Ort voraus gesetzt - sehr wohl als geeignete, potenziell lebensrettende Methode der Sofortrettung an.
    • Rein von der Technik her ist die Methode ja nichts anderes als das "auseinanderziehen" der 70er Jahre in der Unfallrettung.

      Die "schnelle Rettung" ist ja weitaus mehr als die Oslo-Methode. Spätestens ab dem Moment, wo das Fahrzeug nicht in der richtigen Position steht, ist jede konventionelle Methode überlegen. Im Durchschnitt reden wir bei der Kettenrettung immer noch von einem Zeitaufwand von 15 Minuten, einem durchaus realistischen Rahmen für eine große Seitenöffnung. Ich sehe bei der Methodik allerdings noch weitere Probleme:
      • es werden besondere Ketten/Haken benötigt, die Ketten vom Spreizer oder die Stahlseile als Zusatzgerät für die Seilwinde sind nicht geeignet.
      • die Sicherheitsabstände nach UVV-Feuerwehr (1,5 fache Seillänge) sind nicht mehr einzuhalten
      • wie kann man den Patienten entsprechend schützen und wer haftet, wenn er dabei (vermeidbar) zu Schaden kommt?
      • entsprechende Fachausbilder empfehlen pro Geräteführer 2 bis 3 PKW im Jahr zum Schneiden. Wie - wenn schon nicht dieses Grundvorgehen - soll die Kettenzugmethode entsprechend beherrscht werden? Woher wird das Ausbildungsbudget genommen?
      • bei nicht achsengerechter Position des PKW sind unklare Bewegungen auf allen Achsen möglich
      • wie reagiert die Lenksäule im Innenraum?
      Lasst uns doch alle in unseren Wehren erstmal die klassischen Techniken wie Fischdose, Roof Sectioning, Tunneln, Große Seitenöffnung, Doppelschnitt der A-Säule, Fahrzeugsäule reißen etc. bis zur Lernzielstufe "nachts um 3 im Regen sicher durchführbar" ausbilden und dann Gedanken über weitere Lösungen machen. :) Wenn dann noch das passende Equipment da ist, gerne auch als Plan T, U, V, W oder X.
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    • lars.911 schrieb:

      wie kann man den Patienten entsprechend schützen und wer haftet, wenn er dabei (vermeidbar) zu Schaden kommt?
      Man müsste sich schon darauf verständigen, dass man Oslo nur spielt, wenn der Patient gerade am abnippeln ist, es folglich auf weitere Schäden bis hin zum Bergungstod, nicht mehr ankommt.
    • Die Anwendung muss immer Abwägungssache sein. Ein versierter Einsatzleiter, der regelmäßig mit solchen VU-Szenarien konfrontiert ist, sollte in der Lage sein, die konventionellen "Crash"-Methoden gegenüber der Oslo-Methode abwägen zu können.

      Unterm Strich finde ich es aber richtig, dass man in den Feuerwehrschulen auch auf diese Möglichkeit der Personenbefreiung hinweist und diese sogar beübt. Dies sollte auch in die Wehren weitergetragen werden. Ob und wie man diese Methode dann einsetzt, bleibt jedem Verantwortlichen selbst überlassen.