FEUERWEHR HAMBURG: Geldmangel – Feuerwehr setzt Praktikanten wie Retter ein

    • FEUERWEHR HAMBURG: Geldmangel – Feuerwehr setzt Praktikanten wie Retter ein

      Die Feuerwehr werde "kaputtgespart", sagt der Berufsverband und rechnet dem Senat vor, dass die Wehren seit 15 Jahren chronisch unterfinanziert seien. Akut fehlten rund 40 Millionen Euro.

      Den vollen Artikel gibt´s beim Hamburger Abendblatt

      Gibt es eigene Erfahrungen oder andere Ansichten aus Hamburg??

      Wie sieht es in anderen deutschen Wehren aus?

      Ich hoffe auf eine rege Diskussion...
    • Da es Probleme mit der Darstellung des Artikels gibt, poste ich ihn hier voll:

      Hamburg - Die Hamburger Feuerwehr ärgert sich über Investitionsstaus, strukturelle Finanzierungsdefizite und ihren Chef, den Innensenator Michael Neumann. Ein "klärendes Gespräch" des Berufsverbandes Feuerwehr mit dem Dienstherren der Hamburger Wehren brachte aus Sicht der Arbeitnehmervertreter kaum greifbare Ergebnisse.

      Sie beklagen eine seit 15 Jahren chronische Unterfinanzierung und beziffern die jährlichen Fehlbeträge auf derzeit 13,7 Millionen Euro für Personal, 15,5 Millionen Euro für den Ersatz veralteter Fahrzeuge, Geräte und Rettungsdienstkleidung sowie 10,4 Millionen Euro für den seit Jahren geplanten, aber nie begonnenen Neubau der Wache Finkenwerder.

      "Der Senator hat uns in einigen Punkten Hoffnungen gemacht, aber letztlich nichts zugesagt", sagt Daniel Dahlke, Vorsitzender des Hamburger Berufsverbandes Feuerwehr e.V. "Die Feuerwehr wird kaputt gespart." Auch die versprochenen neuen Löschboote (Kostenpunkt: 20 bis 30 Millionen Euro) seien noch nicht im Haushalt abgebildet. Das ruinöse Muster sei immer dasselbe: Um den laufenden Betrieb irgendwie aufrecht zu erhalten werde Geld, das im Haushalt für Investitionen eingestellt sei, umgewidmet.

      So seien 4,2 Millionen Euro Rückstellungen für den Neubau der Wache Finkenwerder zur Finanzierung der Ausbildungsoffensive verfrühstückt worden, statt mehr Personalmittel für die Ausbildung einzuwerben und bereitzustellen. Etwa 70 voll ausgebildete Feuerwehrleute würden im Einsatzdienst geführt, könnten aber aus gesundheitlichen Gründen gar keine Einsätze mehr fahren. "Diese Kollegen arbeiten woanders und sind für uns unverzichtbar", sagt Dahlke. "Aber ihre Arbeitsplätze tauchen in keinem Stellenplan auf und die Löcher, die sie im Einsatzdienst reißen, müssen wir mit neuen Leuten stopfen, die wir aus ganz anderen Etats bezahlen." Strukturelle Kosten für Personal seien nur unzureichend im Haushalt hinterlegt.

      Die Behörde wies das zurück. Der Neubau der Wache sei auf Wunsch der Feuerwehr verschoben worden, weil sie auf ein besser gelegenes Grundstück hoffte. Die Frage der Finanzierung aber sei gesondert im Rahmen der Haushaltsberatungen zu klären, sagte Swantje Glismann vom Büro des Senators. Gleiches gelte für die Löschboote. Da der Etat-Entwurf für 2015/2016 jedoch noch nicht vorliege, könnten dort naturgemäß auch keine Kosten hinterlegt seien.

      Offen ließ Glismann, warum die fraglichen Buchungsposten insbesondere im Bereich des Personals auch in den vergangenen Jahren nicht im Etat auftauchten. Glismann sprach von nur 40 Beamten, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Einsatzdienst arbeiten und in ihren neuen "Funkionen" unverzichtbar seien. Warum aber diesen Funktionen keine Stellen im Stellenplan entsprechen, überging er. Laut Glismann ist die Feuerwehr dennoch "privilegiert, weil der Einsatzdienst der Feuerwehr wie der Vollzugsbereich der Polizei komplett von Personaleinsparungen ausgenommen ist".

      Das sieht der Berufsverband anders. Tarifverstärkungsmittel, die in früheren Jahren Gehaltserhöhungen im Etat auffingen, werden nur noch eingeschränkt gezahlt. Außerdem gibt es einen Beförderungsstau. "In Hamburg werden Kollegen elf Jahre und länger darauf", sagt Dahlke. "Sie erbringen jährlich die erforderlichen Leistungsnachweise und behalten trotzdem die alten Dienstgrade. So etwas erzeugt Frust."

      Die dringend nötige und gut gestartete Ausbildungsoffensive droht mittlerweile zu verpuffen. "Uns laufen zu viele gestandene Leute weg", sagt Dahlke. "Sie sind unzufrieden mit den Perspektiven hier." 2010 gingen 15 Kollegen, drei Jahre später schon 22. Im laufenden Jahr haben sich bereits 16 Feuerwehrleute aus Hamburg versetzen lassen. Aber Hamburgs Feuerwehr braucht Nachwuchs.

      Derzeit gehen jährlich etwa 50 Feuerwehrleute in Pension. Ab 2020 verdoppelt sich diese Rate, ab 2021 werden es jährlich 120 Kollegen sein. "Deshalb müssen wir jetzt ausbilden", sagt Dahlke, "aber wir müssen die Leute eben auch halten." Derzeit schließen jährlich etwa 80 junge Feuerwehrleute ihre Ausbildung ab. Zu wenig, um die Abgänge kompensieren zu können. Die Berufsfeuerwehr hat derzeit 1800 Leute im Einsatzdienst.

      Auch die Abschreibungszeiten für Geräte würden immer wieder verlängert, um Investitionen zurückstellen und statt dessen kurzfristig Kosten für den laufenden Betrieb bedienen zu können. Das aber führe in einen Teufelskreis, der mittlerweile die Funktionsfähigkeit der Wehren gefährde, sagt Dahlke. Die Freiwillige Feuerwehr trifft dies genauso, weil sie ihre Etats für Gebäude und Geräte direkt an die der Berufsfeuerwehr angedockt sind. Für die mittlerweile 30 Jahre alten Löschboote etwa liefen zwischen Juni 2010 bis Anfang 2011 rund 89.000 Euro Reparaturkosten auf, 2011 waren es 174.000 Euro, 2012 schon 443.000 Euro.

      Die Mängelliste der Feuerwehr ist laut Dahlke immer noch bescheiden. Denn sie lässt die Forderungen unberücksichtigt, die sich aus dem Strategiepapier von 2010 ergeben. Danach sollen die Einsatzkräfte sich nicht mehr an Großbränden orientieren, sondern bei einem angenommenen Wohnungsbrand mit Personenrettung im Mehrfamilienhaus innerhalb von acht Minuten mit zehn Kräften vor Ort sein.

      "Dieses Ziel erreichen wir derzeit zu 85 Prozent", sagt Dahlke. "Weil wir unsere Fortbildung halbiert haben und Praktikanten wie voll ausgebildete Leute einsetzen." Und weil die Freiwilligen Feuerwehr verbindlich in die Einsatzplanung auch am Tage aufgenommen wurde. Ohne ihre etwa 2500 Kräfte liefe nichts mehr. Die Behörde sprach in diesem Zusammenhang von "Veränderungen im Zuge der Umstellung auf das neue Schutzziel". Die getroffenen Maßnahmen sollten beobachtet und im nächsten Jahr analysiert werden.

      Die Behörde will bei 85 Prozent Erfüllungsquote bleiben, der Berufsverband dagegen will langfristig 95 Prozent schaffen. Dafür aber müsste erheblich investiert werden. Das Strategiepapier von 2010 spricht von 6 neuen Wachen und drei Verlegungen. Der Neubau einer Wache kostet zwischen 12 und 15 Millionen Euro, das dafür erforderliche Personal etwa fünf Millionen Euro im Jahr.

      Quelle: Hamburger Abendblatt


      Ich habe den Artikel auch ohne Abo nach mehrfachem Versuch beziehen können, daher dürfte es keine Urheberrechtsprobleme geben.
    • Die Situation der Feuerwehren in Hamburg kann und möchte ich nicht bewerten - aber der Artikel selbst wirft einige Fragen auf.
      Ich bin nicht ganz sicher, ob man sich mit solchen Zahlenspielchen wirklich einen Gefallen tut, wenn man sie irgendwann vor Leuten ausbreiten muss, die solche Zahlen bewerten können. Dazu zähle ich mich jetzt nicht, aber wenn einem Außenstehenden schon in zwei Minuten diverse Widersprüche auffallen...

      Manu Schwarzenberger schrieb:

      sowie 10,4 Millionen Euro für den seit Jahren geplanten, aber nie begonnenen Neubau der Wache Finkenwerder. [..]Der Neubau einer Wache kostet zwischen 12 und 15 Millionen Euro

      Was macht andere Neubauten grundlegend 1,6 bis 4,6 Millionen teurer als den Neubau in Finkenwerder?

      Manu Schwarzenberger schrieb:

      Für die mittlerweile 30 Jahre alten Löschboote etwa liefen zwischen Juni 2010 bis Anfang 2011 rund 89.000 Euro Reparaturkosten auf, 2011 waren es 174.000 Euro, 2012 schon 443.000 Euro.

      Augenwischerei. Rechnen wir Juni 2010 bis Anfang 2011 mit knapp einem halben Jahr und verdoppeln daher die 89.000 Euro Instandhaltung und -setzung, landen wir bei 178.000 Euro und damit in einem vergleichbaren Bereich wie 2011. Heisst 2012 wäre ein Ausreißer, sofern man bei drei Datenpunkten überhaupt davon sprechen kann. Ggf. hohe Einmalbelastung aus langen Fristen (z.B. Werftperiode alle paar Jahre)?

      2010 gingen 15 Kollegen, drei Jahre später schon 22. Im laufenden Jahr haben sich bereits 16 Feuerwehrleute aus Hamburg versetzen lassen. [..] Derzeit gehen jährlich etwa 50 Feuerwehrleute in Pension. [..] Derzeit schließen jährlich etwa 80 junge Feuerwehrleute ihre Ausbildung ab. Zu wenig, um die Abgänge kompensieren zu können.

      Auch hier - 50 gehen in Pension, 20-30 Versetzungen aus Hamburg weg vs. 80 Neuzugänge aus eigener Ausbildung und x Versetzungen nach Hamburg. Heißt unter dem Strich gibt es derzeit eine ausgeglichene bis leicht positive Personalfluktuation.
    • Die Feuerwehr Hamburg jammert allgemein gern auf hohem Niveau, so wie ich das bislang erleben durfte. Da schaue man mal nach Bochum etwa, wo die Personalsituation wirklich prekär ist und auch die Fahrzeuge in der Regel modernen Anforderungen nicht genügen, von der Kleidung mal ganz zu schweigen.

      Edit: Wow, die Freiwilligen Feuerwehren werden jetzt wie richtige Feuerwehren behandelt. Hammer.
    • ohne das aus Hamburger Sicht komplett darstellen zu wollen: dafür dass jede Menge gejammert wird, gab es gerade erst wieder die neueste Generation HLF (so nennt man hier LF 20/10 bzw 16/12), die "alten" waren nicht mal 10 Jahre alt, an der Landesfeuerwehrschule stehen ca 2-3 komplette Löschzüge zu "Ausbildungszwecken", plus die Rettungsmittel einer mittelgroßen Kleinstadt. Es gibt an einigen Stellen sicher Probleme mit den Feuer- und Rettungswachen, aufgrund der teilweise historischen Gebäude (zB FuRW 11 oder 16), aber wirklich beklagen kann sich die Feuerwehr HH wenn überhaupt über mangelndes Personal. Dass jetzt im Tagesdienst Ausbildungsbeamte auf dem 2. Fzg eingesetzt werden halte ich für weniger bedenklich als es dargestellt wird. Die Leute haben einen Großteil ihrer schulischen Ausbildung durch und absolvieren im Normalfall "Wachenpraktika".

      Die Löschboote sind ein Dauerthema; allerdings hat jeder der Schlepper im Hamburger Hafen förderkräftigere Wasserpumpen und Werfer als das verbliebene Löschboot und Mittel- und Wege Feuerwehrleute für Schiffsbrandbekämpfung überzusetzen gibt es sicher auch eine Menge. Zig Feuerwehren verfügen über sog. Kleinboote, und man kann es sich leisten im Standard Alarmvorschlag auf Einheiten des THW, der DLRG etc. komplett zu verzichten.

      Man kann es sich auch leisten in Hamburg bestehende SEGen (zB SEG-R) nicht einzusetzen und stattdessen lieber eine eigene durch Beamte vorzuhalten, die mit FF aufgefüllt wird. Solange es möglich ist bei NOTFR (andere sagen MANV-1) oder NOTF2R (äquivalent MANV2) keine SEG sondern einfach sieben RTW (für jeden Patienten einen, bei MANV 2 das Gleiche in mehr) zu alarmieren und erst ab grösser 25 Verletzte (auf dem Papier, in Realität eher größer 50) über den Einsatz von Sonderkomponenten nachzudenken, kann es kaum einen echten Engpass geben. Ist schon vorgekommen dass bei einem Unfall mit Reisebuss und knapp 30 Verletzten einfach 30 RTW ne Schlange bilden mussten und jeder einen weggefahren hat, aus dem normalen Regelgeschäft heraus.

      Dass im Rahmen von AGBF (Schutzzieländerung) jetzt vermehrt FF eingesetzt wird, ändert in zumindest den Zustand dass bisher die FF immer nur "on top" alarmiert wurde, d.h. es wurde ein Zug BF geschickt, woher auch immer der kam und eine komplette FF hinzu alarmiert. Im besten Fall stehen dann bei Essen im Topf zwei Züge mit knapp 40 Leuten für nix. Neuerdings werden die FFen also etwas gleichwertiger behandelt und fahren bei den Gruppenwachen (nur KLF, DL und 1 HLF) als zweites HLF mit zum Feuer. Allerdings wird auch hier damit gerechnet dass FF nur mit Staffelstärke anrückt, ob dies so ist oder nicht.
      Dadurch entstehen Kuriositäten wie: KLF an einer Vollzug-Wache aD, deswegen Mindeststärke vor Ort um 1 oder zwei unterschritten - also FF hinzualarmieren, die nicht wissen dass sie für zwei Stellen ausrücken und deswegen mit 18 vor Ort aufschlagen. Natürlich gibt es auch Gebiete in denen FF teilweise so schwach besetzt sind dass sie Mühe haben überhaupt auszurücken, aber das ist auch ein hausgemachtes Problem, weil solche FFen weiterbestehen und im 1. Alarm sind, obwohl sie schon auf dem Papier nur noch 15 Mitglieder haben...

      Nebenbei kann man unterstellen die Feuerwehr HH verdient sich im Rettungsdienst sehr viel Geld, und bevorzugt diesen deswegen auch gegenüber dem Brandschutz bei Krankheitsfällen, um dadurch den Brandschutz quer zu finanzieren. Dies ist zwar offiziell nicht zulässig, da aber die gleichen Gelder in den gleichen Töpfen landen, passiert das quasi unabsichtlich....=) Und trotz dem viel beklagten Personalmangel erhält man eine gigantische Rettungsdienstvorhaltung aufrecht, die man durch sinnvolle Disposition, Kooperation mit den nach Staatsvertrag aktuell beteiligten Organisationen und am Ende Reduktion der eigenen Vorhaltung deutlich effizienter gestalten könnte. Aber solange zwei Beamte auf dem RTW sitzen müssen und nur ein F-RTW als vollwertiges Rettungsmittel anerkannt wird, braucht sich niemand über Personalnot beschweren. Noch ist es in der Leitstelle möglich nicht zu disponieren sondern zu alarmieren... weil die Masse es her gibt.

      Dies ist sicher eine sehr persönliche Meinung und daher auch als solche zu werten.
      orthograpie und interpunktion sind frei erfunden

      RLSt HH (ID 7390) - Forum-Thread RLSt HH

      IRLS Süd (ID 38413) - Forum-Thread IRLS Süd

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von jwhh ()

    • Lumidor schrieb:

      Grob übern Daumen gepeilt hat Hamburg 50 RTW dauerhaft in Dienst, dazu können sie ohne größere Probleme Tagsüber nochmal 50 RTW besetzen. Das in Hamburg ne Zusatzkomponente wie DRK SEG benötigt wird, der MANV muss erstmal kommen.


      was dankenswerterweise meine Aussage unterstützt: einen echten Ressourcenmangel gibt es nicht, vielleicht einen relativen Mangel durch ungünstige Verteilung...
      orthograpie und interpunktion sind frei erfunden

      RLSt HH (ID 7390) - Forum-Thread RLSt HH

      IRLS Süd (ID 38413) - Forum-Thread IRLS Süd