Stifneck - das Ende eines Dogmas?

    • Stifneck - das Ende eines Dogmas?

      Vor über 30 Jahren wurde die Cervicalstütze im Rettungsdienst eingeführt und ist seitdem in jeder Traumaleitlinie fest verankert. Doch nun zeichnet sich ein Wandel bei dem Einsatz dieser Immobilisierungsmaßnahme ab.
      In einem aktuellen Review[1], einer umfassenden Auswertung der aktuellen Studienlage zum Einsatz von Halswirbelsäulen-Stützen, kommen die Autoren zu einem überraschenden Ergebnis. Zum Nutzen der Halswirbelsäulen-Stützen gibt es inzwischen äußerst widersprüchliche Resultate und derzeit keine ausreichende wissenschaftliche Grundlage um den generellen Einsatz zu rechtfertigen. Die Arbeit zieht in Zweifel, ob bei den allermeisten Patienten eine Immobilisierung der Halswirbelsäule überhaupt nützlich ist, oder ob Schäden durch die Anlage bei vielen Patienten nicht überwiegen könnten.
      Bereits vor einigen Jahren gab es eine umstrittene Untersuchung, die den Einsatz solcher Stützen mit schlechterem Outcome der Patienten in Verbindung brachte.[2] Neben weiteren Hinweisen auf Schädigungen durch die Stiffneck Anlage führen die Autoren des Reviews auch mehrere Studien auf, die einen Anstieg des ICP (Intrazerebraler Druck) beobachtet haben.[3][4][5][6][7][8], was vor allem bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma schwere Konsequenzen haben könnte. Weiterhin zeigt die Arbeit auch weitere kritische Aspekte der HWS-Immobilisierung mit Stiffneck auf, wie z.B. eine deutlich erschwerte Atemwegssicherung.

      Die Autoren empfehlen daher abschließend, eine Hals-Wirbelsäulenimmobilisierung nur noch bei Patienten durchzuführen, die besonders gefährdet für instabile HWK- Frakturen sind. Zur Identifizierung dieser Patienten könnten Algorithmen wie die „Canadian C-Spine Rule“ in Frage kommen.
      Diese Patienten sollen, so die Empfehlung, mittels Headblocks und Straps und nicht mehr mit einem Stiffneck immobilisiert werden. Stiffnecks sollten nur noch speziellen Situationen vorbehalten sein, wie in manchen Fällen zur Rettung aus Fahrzeugen.
      Werden wir also in Zukunft auf den Einsatz von Stiffnecks gänzlich verzichten? Es bleibt abzuwarten, wie die Fachgesellschaften und Kurssysteme wie PHTLS oder ITLS auf diese für viele überraschende Arbeit reagieren werden. Vermutlich wird sich in der nächsten Zeit unser Ansatz der konsequenten HWS-Immobilisation bei Traumapatienten tatsächlich radikal ändern.
      Quelle: www.rettungsdienst-updates.de

      Ich bin ja mal gespannt, ob da ein Umdenken stattfindet - dieses "Pseudo-HWS-Immobilisieren" mittels Halskrause ohne weitere Stabilisierungsmaßnahmen wie Vakuummatratze oder Spineboard sind ja noch ziemlich weit verbreitet.
      Viele Grüße

      TOM



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    • Danke für den wirklich spannenden Bericht...wenn ich daran denke, das der Stifneck das erste ist, was beim Traumapatienten gemacht wird dann ist das schon ne krasse Wende, aber die Docs wissen es ja besser...Gott sei dank!

      In Zukunft können wir ja, wenns nach ERC geht, während des Schockens weiter reanimieren...wieder ein Fortschritt...

      Na ich bin gespannt ob das so kommt
    • christophorus15fan schrieb:

      In Zukunft können wir ja, wenns nach ERC geht, während des Schockens weiter reanimieren...wieder ein Fortschritt...
      Ein Novum, das man mit Blick auf Handsoff-Zeiten schon ewig hätte haben können, hätte man den Fachleuten für Physik und Strom geglaubt hätte.
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      Auch interessant: FAQ
    • Tja, mal abwarten was dabei letztendlich heraus kommt.
      Man muss aber auch beachten, dass sich bislang nichts an den Empfehlungen geändert hat. Nach wie vor ist ein Stifneck dazu geeignet Wirbelverletzungen zu verhindern bzw. deren Ausprägung einzuschränken. Argumente wie eine erschwerte Atemwegssicherung sind meines Erachtens Quatsch. Das ist nun wirklich keine Neuigkeit und dass die Atemwegssicherung dem Stifneck vorgeht ist genau so wenig neu.
      Leitfunkstelle Gießen - lstsim.de/leitstellen/305/
      Wiki-Seite - wiki.lstsim.de/LFSt_Gie%C3%9Fen
    • Sehr interessanter Artikel, auch wenn ich nicht glaube, dass er die große Revolution ankündigt.

      Das Hauptproblem der Studie ist (wie schon auch ein Kommentar im Origninalartikel anmerkt), dass JEDER Pat. mit schwerer HWS-Verletzung mit Stifneck versorgt wird und entsprechend viele Pat. ein schlechtes Outcome haben. Umgekehrt wird kaum ein Pat., bei auch nur geringem Trauma, ohne Stifneck eingeliefert. Ohne die Originalstudie zu kennen, lässt sich allerdings kaum beurteilen, wie die Autoren die Sachlage bewerteten.
      Grundsätzlich könnte man aber analaog auch vom Einsatz von i.v.-Zugängen abraten, da Pat., die mit i.v.-Zugang versorgt hospitalisiert werden eine höhere Laetalität aufweisen als jene Pat. ohne...

      Erschwertes Airwaymanagement ist wirklich nichts Neues, wie status3 schon sagte.

      Bleibt noch der potenziell erhöhte ICP, der in der Präklinik wohl für weniger als 10% aller mit HWS-Schienung versorgten Pat. ein wirkliches Problem darstellen dürfte. Das rechtfertigt m.M. nicht die Empfehlung keine Stifneck zu verwenden.


      Ich meine das größte Gefahrenpotenzial ergibt sich tatsächlich aus der Anwendung der Schienung i.S. zu großer Manipulationen an der Verletzten HWS, auf der Grundlage ließen sich aber noch eine Reihe weiterer Maßnahmen im RD verbieten.

      Dazu kommt die Ermangelung von Alternativen, zumal im deutschsprachigen Raum Spineboard und Headblock noch nicht flächendeckend verfügbar sind.
    • Nur das bei ner Schulung der Patient in der Regel ein T-Shirt an hat und bequem auf dem Fußboden liegt, wann hast du mal so einen Fall. Ist das gleiche Spiel wie bei der Rea ;)


      Da hast' volkommen recht

      Und weil das Thema ja Stifneck heißt und nicht Halskrause - erst letztens wieder gesehen, dass einer unserer Praktikanten (einen Tag vor der Prüfung - mal abgesehen davon, dass er insgesamt grottenschlecht war) einen Stifneck angelegt hat (im Schulungsraum) da hab ich mir gedacht das gibts ja nicht....angefangen damit, dass er beim weißem! Abmessen wollte...und das anlegen...also da leg ich lieber nix an...bevor ich so einen Stifneck bekomme

      Ich hab letztens erst mit einer Schockraumschwester unseres Maximalversorgers gesprochen- was die sagt, was sie so alles sieht...im Tragstuhl sitzend in die Notaufnahme mit Stifneck...
      Und sowas gibts so oft - entweder ganz oder gar nicht....Vakuum Halskrause liegend

      Und solang das nicht so gelehrt oder umgesetzt wird kann ich das gleich ganz lassen
    • Die Problematik des Stiffnecks ist, wie bereits angesprochen, eher die Anlagage, sei es "mangelnde Praxis" oder eben einfach das Szenario, was Lumidor anegsprochen hat, der Patient der eben nicht im Tshirt unverletzt auf dem schön glatten Boden liegt, bzw. das ungenügende Ausmessen, rumprobieren und dergleichen, wobei der Stiffneck dann doch krumm und schief hängt. Aber so ist das in der Notfallmedizin, zumindest das, was ich in 2,5 Jahren Schule & Praxis so mitbekommen habe. Wo vorgestern das Spineboard laut ITLS noch der absolute Bringer war, hieß es gestern noch, dass es beim Trauma zu Meiden ist nur um heute doch nicht wieder so schlecht zu sein. Jede guideline ändert sich mal nach rechts und links, wer weiß ob wir schon übermorgen im Handstand reanimieren :D
      Der Anfang ist, meiner Meinung nach, zu sagen "das und das hat nicht geklappt, hätte besser laufen können, etc.)", nicht darauf zu bauen dass man ja "weiß" wie der Stiffneck funktioniert, das Ding auf Teufel komm raus an den Hals bringen zu wollen, und dabei so am Patienten zu manipulieren, da findet der Schaden statt, da sollte man auch ansetzen.

      Offtopic: Rein Interesse halber, sind Stiffnecks bei euch (wie auch eigentlich vorgesehen) ein Einmalprodukt, oder werden die bei fehlender Verschmutzung später wieder eingepackt und neu verwendet?
    • Also ich persönlich arbeite nun schon seit mehr als 1 1/2 Jahren nach den Canadian C-Spine Rules und komm damit sehr gut zu recht. Jedoch benutze ich sie nur zur Entscheidungsfindung Stifnec ja oder nein - gestrapt werden nur Kleinkinder und Säuglinge ;)
      In der Klinik gibt es immer wieder Ärzte die einen anraunen wie es den sein könnte das der Patient keine HWS-Immob. bekommen hat. Andererseits sind das wiederrum die Ärzte, die als erstes die HWS-Immob. abmachen wenn man mit dem Sturz aus 6m im Schockraum steht.

      Meiner Meinung nach gehört beim Verdacht auf ein WS-Trauma egal ob HWS, BWS, LWS eine komplette immob. dazu! Ein Patient der eine HWS-Immob angelegt bekommt liegt danach auch auf dem Spineboard und bewegt sich selbst keinen Meter mehr. Andersherum gilt natürlich selbiges! Wer auf dem Spineboard wegen des Va LWS# liegt bekommt auch eine HWS-Immob an.

      Nebenbei lohnt sich ein X-Collar zur HWS Immob wesentlich mehr als ein Stifnec. Dauert leider wirklich eine Weile bis man es perfekt anlegen kann, da es doch etwas komplizierter ist. Bietet dafür wesentlich mehr Schutz als ein Stifnec.
    • TA schrieb:

      Bzgl. mangelhaftem Anlegen: Meint ihr sowas? KLICK

      Ist doch super gelaufen. Der Patient kann während der Anlage sogar noch nach seiner KV-Karte suchen.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von TheOssi ()

    • @SHudson und @FaRa: Es gibt auch Halskrausen, die nicht als Einwegprodukt gekennzeichnet sind und teilweise auch welche, wo der Schaumstoff (ähnlich zu den SpineboadHeadblocks) ausgetauscht werden kann.

      Ich persönlich benutze aber keine Halskrause zweimal. Eigentlich sollte sich dazu ja auch gar keine Gelegenheit bieten, weil erst die Kliniken das Ding ja wieder vom Patienten entfernen und dann auch direkt entsorgen sollten. Bekomm ichs aber mit, dass eine schonmal verwendet wurde (oder zum Beispiel unverpackt im Auto ist), werf ich sie weg... Die Freiheit nehm ich mir einfach :saint: . Kann mir wenig vorstellen, was für einen Patienten unangenehmer sein könnte als eine schonmal durchgeschwitzte, eventuell vollgesabberte oder sogar blutige Halskrause direkt in Gesichtsnähe angelegt zu bekommen. Auch wenn davor mit Desinfektionstüchlein drüber gewischt wurde X/
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